VAT in the Digital Age: E-Invoicing kommt, ZM geht

Obwohl der Entwurf zu “VAT in the Digital Age” jüngst verschoben wurde, äußerte sich heute ein Vertreter der EU-Kommission auf der IDSt-Konferenz “Digital Transformation in VAT” in Berlin. Noch gibt es keine konkreten Details. Aber für grenzüberschreitend tätige Unternehmer wird es in Zukunft definitiv umfangreiche Änderungen geben. Was Euch konkret bevorsteht, darüber berichten wir in unserem Blog.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
VAT in the Digital Age: E-Invoicing kommt, ZM geht

Keine Pflicht zum flächendeckenden E-Invoicing

Wie bereits berichtet, ist der Reporting-Flickenteppich in der EU der Kommission schon länger ein Dorn im Auge. SAF-T (Litauen, Polen und Portugal), E-Invoicing (Italien), Real-Time-Reporting (Spanien und Ungarn) oder nichts davon (Deutschland). Im Rahmen von VAT in the Digital Age (VIDA) wurde vor allem E-Invoicing als die zentrale Deklarationsmethode hervorgehoben. 

Allerdings konnte sich die Kommission hinsichtlich eines flächendeckenden E-Invoicing nicht gegenüber den Nationalstaaten durchsetzen. Das heißt, nationale Meldesysteme werden auch mit dem VIDA-Entwurf für die Mitgliedstaaten nicht verpflichtend. Vielmehr obliegt es weiterhin den Mitgliedstaaten, ob sie nationale Meldesysteme einführen und wie diese ausgestaltet sind. Die Vorgabe der EU-Kommission wird allerdings sein, dass die nationalen Systeme mit den EU-Standards interoperabel sein müssen.

Quelle: Präsentation zum EU-Vorschlag: VAT in the Digital Age, Agustín Míguez Pérez (EU-Kommission, Policy Officer, VAT Unit, DG TAXUD) auf der IDSt-Conference “Digital Transformation in VAT” am 16. November 2022 in Berlin.

Zusammenfassende Meldung kann zusammenpacken

Ein kleiner Teilerfolg hinsichtlich E-Invoicing wurde dennoch erreicht. Die EU-Kommission überdenkt die gesamte Deklaration grenzüberschreitender Umsätze (sprich innergemeinschaftlichen Lieferungen und Dreiecksgeschäften sowie sonstige Leistungen zwischen Unternehmen). Die Regelungen hierzu stammen noch aus den 1990er-Jahren und sind selbst laut EU-Kommission nicht mehr zeitgemäß. 

In diesem Zusammenhang wird die Zusammenfassende Meldung (ZM) als das zentrale Reporting-Tool für grenzüberschreitende Umsätze beerdigt. Stattdessen müssen alle Unternehmer solche Umsätze, die gegenwärtig in einer ZM gemeldet werden, mithilfe von E-Invoicing deklarieren.

Grenzüberschreitendes E-Invoicing

Aus den Ausführungen der EU-Kommission ließ sich heraushören, dass vor allem die EU-Staaten vehement gegen die flächendeckende Einführung von E-Invoicing waren. Teilweise lässt sich dies mit der gegenwärtigen Ausgestaltung der MwStSystRL erklären, die vor allem den Nationalstaaten hinreichende Kompetenzen bei den Verwaltungsverfahren zusichert. 

Die EU-Kommission hat daher nur Kompetenz hinsichtlich grenzüberschreitender Leistungen, die gerade den EU-Binnenmarkt tangieren. Aus diesem Grund ließ sich wohl nur für diesen Teilbereich E-Invoicing beschließen. Das grenzüberschreitende Near-real-time Reporting richtet sich nach dem EU-Standard EN-16931. Dieser Standard wird gegenwärtig bereits überarbeitet.

Strukturierte Daten statt Rechnung 

Konkret soll nicht die tatsächliche Rechnung – z.B. an das BZSt – anstelle einer ZM gesendet werden, sondern vielmehr die darauf enthaltenen Daten. Ferner werden die Daten nicht konsolidiert an das BZSt wie bisher versendet, sondern auf Einzeltransaktionsebene. Weiterhin werden keine Steuerbehörden als Clearingstelle in diesem Reportingprozess fungieren, um die jeweilige Rechnung zwischen den Unternehmern freizugeben. Die Meldung solcher Daten soll wesentlich schneller erfolgen als gegenwärtig. Zwischen der Ausführung der jeweiligen Leistung und der Meldung sollen künftig nur noch wenige Tage liegen – statt wie bisher der 25. Tag nach Ablauf des Meldezeitraums.

Hinsichtlich der Übermittlung der Daten an die Finanzbehörden der jeweiligen Mitgliedstaaten konnte sich die EU allerdings nicht auf einen flächendeckenden Standard einigen. Stattdessen setzt man auf Interoperabilität: Die EU gibt lediglich vor, welche Daten in eine künftig zentrale EU-Datenbank übermittelt werden sollen, nicht aber, ob das mittels PEPPOL oder durch einen Serviceprovider erfolgen soll. Es bleibt spannend, ob dies letztendlich in einer Fragmentierung der Übermittlungsmechanismen in der EU münden wird. Dies dürfte für EU-weit tätige Unternehmen zu einem hohen Befolgungsaufwand führen.

Alle Unternehmer betroffen von grenzüberschreitendem E-Invoicing

Alle Unternehmer, die gegenwärtig ZMs erstellen müssen, müssen sich spätestens jetzt mit E-Invoicing auseinandersetzen. Es wird keine Ausnahmen hinsichtlich großer oder kleiner Unternehmen oder sonstige Schwellenwerte geben, mit denen man die Deklarationspflicht mittels E-Invoicing verhindern könnte.

Deutschland beantragt Sonderregelung für ein nationales Meldesystem, wartet aber dennoch weiter auf die EU 

Seitdem die Ampelregierung ein bundesweites elektronisches Meldesystem angekündigt hat, das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet werden soll, wartet man auf konkrete Ausführungen, wie dieses ausgestaltet sein soll. Bis jetzt verwies das BMF immer wieder darauf, die Ausführungen der EU-Kommission zu VAT in the Digital Age abzuwarten. Das Warten hat nun ein Ende, und die Erkenntnisse sind eher ernüchternd. Seitens der EU-Kommission gibt es lediglich die Vorgabe, für grenzüberschreitende Leistungen, für die zuvor die ZM als Meldeform verpflichtend war, nun E-Invoicing zu nutzen. Alles andere mit Blick auf E-Invoicing verbleibt in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten. Deutschland muss also selbst tätig werden und sich intensiv mit der Ausgestaltung eines nationalen Meldesystems auseinandersetzen.

Gleichzeitig hat das BMF bei der Konferenz bekannt gegeben, dass Anfang der Woche bei der EU-Kommission eine Sonderregelung zur Einführung eines nationalen Meldesystems in Deutschland gestellt wurde. Das klingt erstmal so, als würde es auch in Deutschland in Sachen E-Invoicing endlich weitergehen. 

Leider wurde die Freude gleich wieder gebremst: Die Beantragung der Sonderregelung bedeutet nicht, dass es in Deutschland schon Einigkeit darüber gibt, dass ein verpflichtendes E-Invoicing eingeführt werden soll. Dementsprechend gibt es auch keinen Zeitplan, da selbst das “Ob” noch offen ist. Dies wird seitens des BMF damit begründet, dass man weiter auf die Vorgaben der EU warten will, um eine Interoperabilität eines möglichen deutschen Meldesystems sicherzustellen.

Fazit: Keine Pflicht für nationales E-Invoicing, aber Initialzündung 

Wie bereits erwähnt, scheiterte das unionsweite E-Invoicing vor allem am Willen der Nationalstaaten. Es kann also sehr gut sein, dass ein Unternehmer für eine innergemeinschaftliche Lieferung einen E-Invoicingprozess etablieren muss, während er für nationale Lieferungen weiterhin fröhlich Rechnungen in Büttenpapier in Deutschland ausstellen kann. Gleichwohl sollte man die Initialzündung, die die EU-Kommission hier setzen wird, nicht unterschätzen. 

Man kann nur hoffen, dass entweder die Nationalstaaten oder Unternehmen den Mehrwert von E-Invoicing erkennen und nicht nur für grenzüberschreitende Leistungen E-Invoicing nutzen, sondern auch für den Rest. Zwei verschiedene Prozesse würden einen enormen Aufwand bedeuten, vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen.

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