Taxdoo auf dem E-Rechnungsgipfel in Berlin

Taxdoo war als Vordenker im Bereich Umsatzsteuer und E-Commerce natürlich auch auf dem E-Rechnungsgipfel am 20. und 21. Juni in Berlin vertreten. Neben technologischen und steuerrechtlichen Aspekten gab es politische Einblicke zu der Frage, wie es weitergeht in Sachen E-Invoicing in Deutschland. Falls Ihr Euch nun ärgert, dass Ihr ganze zwei Tage Input zum Thema E-Invoicing verpasst habt, können wir Euch beruhigen. Wir haben für Euch unsere Erkenntnisse kurz und knackig zusammengefasst.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 8 min. Lesezeit
Taxdoo auf dem E-Rechnungsgipfel in Berlin

4, 5 oder 6 Ecken?

Der E-Rechnungsgipfel ist keine neue Veranstaltung. Schon seit Jahren beschäftigen sich zahlreiche Anbieter mit dem Thema. So viele Anbieter es gibt, so viele E-Rechnungsformate sind im Umlauf. Bei der Frage, wie die vielen individuellen Standards überhaupt zusammengeführt werden können, spielt Pan-European Public Procurement OnLine (PEPPOL) eine wichtige Rolle. Basis für das PEPPOL-Modell ist ein vierseitiges System bestehend aus Sender und dessen Senderaccesspoint sowie dem Empfänger und dessen Empfängeraccesspoint. Diese vier Seiten, auch Ecken genannt, können um eine weitere Ecke erweitert werden, etwa die Finanzverwaltung (5. Ecke) oder weitere Technologieanbieter, auf die die Finanzverwaltung zurückgreifen kann (6. Ecke). 

Was heißt das jetzt konkret? In technischer Hinsicht ist das PEPPOL-Modell relativ flexibel erweiterbar und wird in seiner Grundform (mit 4 Ecken) bereits im Business-to-Government-Bereich (B2G) verwendet. Was es konkret mit PEPPOL auf sich hat, erklären wir Euch demnächst.
Einig waren sich auf dem E-Rechnungsgipfel alle Beteiligten, dass ein dezentrales E-Invoicing, also unter Einbeziehung von zertifizierten Technologieanbietern, in jedem Fall sinnvoller ist als wenn die gesamte Technologie bei einer zentralen staatlichen Stelle liegt.

Datenparadies oder Rumpfdaten?

Mittlerweile ist nicht mehr fraglich, ob Daten an die Finanzverwaltung in einem elektronischen Meldesystem übertragen werden, sondern welche Daten. Diese Frage mag auf den ersten Blick relativ banal erscheinen. Allerdings wurde auf dem E-Rechnungsgipfel heiß darüber diskutiert, etwa ob die gesamte Rechnung bzw. die dort enthaltenen Daten an eine Steuerbehörde übermittelt werden sollen (so etwa in Italien) oder nur bestimmte Daten (so etwa künftig in Polen). Unternehmensvertreter argumentieren, dass in der Rechnung sensible Daten enthalten sind, die besonders für Hacker interessant sind. Konkrete Einkaufspreise für bestimmte Artikel sollten daher nicht an die Steuerbehörden übermittelt werden, sondern nur „steuerrelevante” Daten wie der Rechnungsbetrag und der Steuerbetrag. In Polen etwa ist geplant, dass die Behörden nur nachgelagert die kompletten Rechnungsdaten erhalten. 

Als Grund werden immer wieder Datenschutzprobleme vorgebracht. Allerdings sollte man sich vergegenwärtigen, dass etwa in einer Betriebsprüfung ebenfalls komplette Rechnungen seitens der Finanzverwaltung gesichtet werden können und hier niemand nach Rumpfrechnungen oder Datenschutz schreit. Gleichzeitig werden fast alle identischen Rechnungsdaten – etwa bei Intrastatmeldungen – ebenfalls in das dortige Format überführt. Intrastatmeldungen sind zwar sehr lästig, aber dass hier „sensible“ Daten für statistische Zwecke übermittelt werden, wurde aus Datenschutzsicht bislang nie bemängelt.

E-Invoicing als Reportingersatz

Mit Blick auf das Thema E-Invoicing herrscht in vielen Unternehmen eine hohe Skepsis, weil damit vor allem mehr Bürokratie erwartet wird. Viele Wirtschaftsvertreter sehen hier in erster Linie eine weitere steuerliche Meldepflicht. Insofern steht die deutsche Regierung auch in der Bringschuld. Durch die neue Datengrundlage, die mit Übermittlung der Rechnungen entsteht, sollten auch bestehende Meldepflichten überdacht werden. Braucht es tatsächlich weiterhin Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Zusammenfassende Meldungen oder Intrastatmeldungen, wenn genau dieselben Daten bereits durch das E-Invoicing konsolidiert an die Finanzverwaltung übertragen werden? Spanien kann da ein Vorbild sein. Es gibt hier zwar kein E-Invoicing, aber durch das SII wurden etwa Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch eine neue Meldeverpflichtung abgelöst. E-Invoicing sollte daher auch mit Bürokratieabbau verbunden sein, denn doppelte Daten bei derselben Behörde braucht niemand.

Steuerbetrug bleibt auch weiterhin möglich

Formen von Umsatzsteuerbetrug

Mit dem elektronischen Meldesystem soll vor allem der Umsatzsteuerbetrug bekämpft werden. Umsatzsteuerbetrug ist hier eigentlich nur ein Oberbegriff, der unterschiedliche Betrugsformen umfasst. Das kleine Einmaleins des Umsatzsteuerbetrugs umfasst die schlichte Nichtzahlung von Umsatzsteuer, indem entweder keine oder zu wenig Umsatzsteuer an den Fiskus abgeführt wird. Daneben gibt es den sogenannten Karussellbetrug. Hierbei wird – stark vereinfacht ausgedrückt – derselbe Gegenstand in einer Kette augenscheinlich verkauft und Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, die dann beim Käufer als Vorsteuer geltend gemacht wird. Der Fiskus zahlt dann die Umsatzsteuer als Vorsteuer an den Käufer aus. Erst im Nachhinein stellt sich aber heraus, dass der Verkäufer nie Umsatzsteuer an den Fiskus abgeführt hat. Am Ende hat der Fiskus also Vorsteuer ausgezahlt, die er nie als Umsatzsteuer erhalten hat.

Welchen Formen von Umsatzsteuerbetrug können mit E-Invoicing bekämpft werden?

Diese Frage wurde auf dem E-Rechnungsgipfel kontrovers diskutiert. Und die Antwort ist recht ernüchternd: Sofern ein Unternehmer beabsichtigt, keine Rechnung auszustellen und keine Umsatzsteuer abzuführen, kann auch das beste E-Invoicing erstmal nichts dagegen tun. 

Beim angesprochenen Karussellbetrug sieht es anders aus. Gerade hier nutzen Betrüger Rechnungen, um eine Vorsteuererstattung zu ergaunern. Allerdings wird eine wesentliche Information bei keinem E-Invoicing-Modell geprüft: Der Zahlungsabgleich. In der Theorie müsste man „einfach” die Berücksichtigung der Vorsteuer insbesondere davon abhängig machen, ob der leistende Unternehmer auch tatsächlich genau diesen Betrag an den Fiskus abgeführt hat. Falls nicht, warum auch immer, gibt es erstmal keinen Vorsteuerabzug. Genau diese Information „Umsatzsteuer gezahlt” wird aber nicht mit den restlichen Rechnungsdaten abgeglichen. Im besten Fall hat man also einen einwandfreien elektronischen Datensatz, aber Umsatzsteuer fließt dann trotzdem nicht. 

Entsprechend wird zu Recht kritisiert, dass gerade die Steuerbetrugsbekämpfung, die mit dem E-Invoicing eingedämmt werden soll, ins Leere laufen könnte. Ferner muss darauf hingewiesen werden, dass sich alle E-Invoicing-Systeme, die gegenwärtig geplant werden (Frankreich und Polen) oder bereits umgesetzt worden sind (Italien), vornehmlich auf lokale B2B-Umsätze beschränken. Karussellgeschäfte haben aber meistens an einer Stelle eine innergemeinschaftliche Lieferung und einen korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb in der Kette. Solche grenzüberschreitenden Lieferungen fallen bei jedem E-Invoicing durchs Raster. Hier könnte dann vor allem ein EU-weites System hoffentlich Abhilfe schaffen.

Wie man tatsächlich den Karussellbetrug mit E-Invoicing bekämpfen könnte und welche Rolle dabei die Distributed Ledger Technologie spielt, erklären wir Euch demnächst.

Große Diskrepanz zwischen Wirtschaftsbeteiligten

Der DAX-Konzern, der Mittelständler und auch der Bäcker um die Ecke werden künftig Rechnungen über ein E-Invoicing-System erstellen müssen. Die technologischen Voraussetzungen könnten aber nicht größer sein. Während ein DAX-Konzern bereits auf eine vollautomatisierte SAP-Umgebung zurückgreifen kann, stellen viele Handwerksbetriebe immer noch Papierrechnungen aus. Entsprechend forderten beim E-Rechnungsgipfel Verbandsvertreter von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), dass E-Invoicing stufenweise und vor allem einsteigerfreundlich ausgestaltet sein muss.

Was sagt eigentlich die Politik?

Aus politischen Kreisen war auf dem Gipfel zu hören, dass die Ampelregierung und insbesondere das Bundesministerium der Finanzen (BMF) gegenwärtig erst einmal abwarten. Als Vorwände wurden verschiedene Gründe angegeben, u.a. der Ukrainekrieg und die Fokussierung des BMF auf die Modernisierung der Betriebsprüfung. Gerade Letzteres ist etwas ärgerlich, da sich vor allem Betriebsprüfungen durch die neue Datenqualität wesentlich verändern dürften – in diesem Zusammenhang also eine ungünstige Priorisierung. 

Der wohl ausschlaggebende Grund für das Zögern in Berlin ist wohl die Initiative „VAT in the Digital Age”. Bevor keine Vorgaben von EU-Ebene kommen, bewegt sich in Berlin also erst mal nichts. Ungewöhnlich ist hierbei, dass sich von deutscher Seite wohl auch niemand so wirklich zum EU-weiten E-Invoicing zu äußern scheint.

Rechnungen erstellen schön und gut, aber bitte umsatzsteuerlich richtig

Elektronische Rechnungen zu erstellen und diese zu versenden, ist erstmal keine technologische Revolution. Interessant wird es, wenn diese Daten an die Steuerbehörden übermittelt werden und entweder zur Steuerermittlung herangezogen oder mit Steuermeldungen abgeglichen werden. In beiden Fällen müssen also Rechnungen nicht nur vorhanden sein, sondern auch umsatzsteuerlich richtig sein. Gerade dieser Aspekt wurde beim E-Rechnungsgipfel meist nur am Rande erwähnt. 

Während diese Herausforderungen für große Unternehmen mit eigener Steuerabteilung nichts Neues sind, bedeutet es für KMU eine enorme Umstellung, einen solchen Prozess erstmal zu integrieren. Oftmals wurde auf dem Gipfel bei diesem Problem pauschal auf die Steuerberater verwiesen, „die dann ja die Rechnungen für die Mandanten erstellen” könnten. Steuerberater, die einmal einen grenzüberschreitend tätigen Onlinehändler beraten haben, wissen, dass Rechnungen nicht einfach so mal erstellt werden, ohne dass man sich in den Untiefen des europäischen Umsatzsteuerrechts verliert. Hier deutet sich also ein enormer Mehraufwand für Steuerberater an, der ohne technologische Lösungen kaum zu bewältigen sein dürfte.

Fazit

E-Invoicing ist und bleibt ein kontroverses Thema. Auf der einen Seite stehen die Technologieanbieter, die sich seit Jahren für die Einführung von elektronischen Rechnungen einsetzen. Auf der anderen Seite stehen die ambitionierten Ziele der deutschen Finanzverwaltung sowie der EU. Die steuerlichen Hürden, die mit einer solchen Rechnungsstellung einhergehen, die Überführung in die Finanzbuchhaltung sowie die womöglich neuen Überprüfungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung sind nur einige Stichworte, mit denen sich Onlinehändler und deren Steuerberater künftig auseinandersetzen müssen. 

Hinsichtlich einer wirklich effektiven Betrugsbekämpfung hat das E-Invoicing definitiv großes Potenzial, wenn sowohl grenzüberschreitende Umsätze als auch der Zahlungsabgleich als Information in einem solchen System enthalten sind. Andernfalls könnte es passieren, dass das E-Invoicing tatsächlich zu einer weiteren steuerlichen Meldeverpflichtung verkommt.

Weitere Beiträge

13. October 2022

E-Invoicing: Willkommen im Datenparadies

Mit der Einführung von E-Invoicing in Deutschland wird aus der Datenwüste Finanzamt bald ein Datenparadies mit Echtzeitdatenübermittlung. Oder ist das alles nur...
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 9 min. Lesezeit

VAT in the Digital Age: Nichts Neues beim E-Invoicing?!

Mit der Initiative VAT in the Digital Age waren gerade beim E-Invoicing große Hoffnungen verbunden. So hatte das BMF extra auf konkrete...
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 9 min. Lesezeit

Digitalisierung in der EU: Deutschland nur Durchschnitt, beim E-Invoicing nur eine kleine Nummer

Die Europäische Kommission hat die aktuellen Ergebnisse des Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index, DESI) veröffentlicht....
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 4 min. Lesezeit