E-Invoicing: Willkommen im Datenparadies

Mit der Einführung von E-Invoicing in Deutschland wird aus der Datenwüste Finanzamt bald ein Datenparadies mit Echtzeitdatenübermittlung. Oder ist das alles nur eine Fata Morgana? Wir erklären Euch, ob das Ende der Umsatzsteuervoranmeldung kurz bevor steht oder ob ihr weiterhin den 10. Tag des Monats im Kalender rot einkreisen müsst.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 9 min. Lesezeit
E-Invoicing: Willkommen im Datenparadies

Wie digital die Rechnungsstellung in Deutschland gegenwärtig ist, haben wir in den letzten Monaten mehrfach erläutert. Eine Rechnung als PDF per E-Mail verschicken, beeindruckt schon lange niemand mehr. Ähnlich antiquiert ist die hiesige Umsatzsteuerdeklaration. Außer einem elektronischen Vordruck für die Steuerdeklaration herrscht noch viel Automatisierungspotential in der deutschen Finanzverwaltung. 

Wenn Ihr gerade nur Einsen und Nullen versteht, erklären wir Euch, was sich in datentechnischer Sicht künftig bei der Finanzverwaltung ändern könnte, wenn ein flächendeckendes E-Invoicing eingeführt wird.

Ihr wisst noch nicht, was E-Invoicing ist? Hier findet ihr einen kleinen Einstieg in das Thema:

Bevor wir uns ansehen, was sich konkret mit der Einführung eines “elektronischen Meldesystem zur Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen” aka E-Invoicing auf Datenebene ändern würde, schauen wir uns den Status Quo an. Als Anschauungsbeispiel dient uns hier die gute alte Umsatzsteuervoranmeldung (UStVA).

UStVA – Das “D” steht für Datenqualität

Jeder, der einmal in den Genuss kam, eine UStVA anzufertigen, weiß sicherlich, wie diese aufgebaut ist. Für die Glücklichen unter Euch, die noch nichts damit zu tun hatten, sei hier kurz erklärt, was gemeldet wird und welche Daten relevant sind.

Die UStVA besteht im Wesentlichen aus zwei verschiedenen Transaktionsarten: Ausgangsumsätze (“Was habe ich verkauft?”) und Eingangsumsätze (“Was habe ich gekauft?”).

Ausgangsumsätze 

Bei den Ausgangsumsätzen müsst Ihr beispielsweise die in Deutschland steuerbaren Umsätze melden. Konkret müsst Ihr die Summe Eurer steuerbaren Umsätze ohne Umsatzsteuer angeben (KZ: 81 bei 19 % Steuersatz bzw. KZ: 86 bei 7 %). Das war es. Das ist auch die einzige Information, die Euer Finanzamt über Eure unternehmerische Aktivität erhält.

Was ist datentechnisch problematisch bei Ausgangsumsätzen in der UStVA?

Im Wesentlichen erhält das Finanzamt nur eine einzige Zahl von Euch. Habt Ihr etwa im Voranmeldungszeitraum 100.000 Euro Nettoumsatz erwirtschaftet, weiß das Finanzamt nicht mal, ob Ihr 100.000 1-Euro-Artikel verkauft habt oder nur einen einzigen Gegenstand für 100.000 Euro. Rückschlüsse auf Euer Geschäftsmodell kann das Finanzamt meist nur aufgrund des steuerlichen Erfassungsbogens ziehen, den Ihr ganz am Anfang Eurer steuerlichen Karriere ausgefüllt habt. 

Ob Ihr den korrekten Ort der Leistung, den richtigen Steuersatz oder Steuerentstehungszeitpunkt für Eure Leistungen bestimmt habt, bleibt hier dem Finanzamt verborgen. 

Eingangsumsätze und die Sache mit der Vorsteuer

Bezieht Ihr Leistungen, für die Ihr Umsatzsteuer gezahlt habt, könnt Ihr die gezahlte Umsatzsteuer als sogenannte Vorsteuer in Eurer UStVA geltend machen. Diese Vorsteuer wird dann von Eurer zu zahlenden Umsatzsteuer automatisch abgezogen. Die Differenz stellt dann Eure Zahllast an das Finanzamt dar. 

Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Sind Eure steuerpflichtigen Umsätze niedriger als die mit Vorsteuer behafteten Umsätze, schuldet Euch das Finanzamt die Differenz. Entsprechend freut sich Euer Bankkonto. Das Finanzamt reagiert allerdings besonders kritisch, wenn es Geld erstatten muss.

Was ist auf Vorsteuerebene datentechnisch problematisch?

Was alles beim Vorsteuerabzug schiefgehen kann, benötigt eigentlich einen eigenen Blogbeitrag. Denn beim Vorsteuerabzug müsst Ihr einiges beachten:

  • Liegt eine Rechnung vor? 
  • Erfüllt diese Rechnung alle formalen Rechnungsmerkmale
  • Wurde die Leistung unternehmerisch von Euch bezogen? 
  • Liegt eine Anzahlungsrechnung vor?
  • u.v.m.

Innerhalb der UStVA meldet Ihr allerdings nur eine einzige Zahl. Eine. einzige. Zahl!

Welche Daten werden also nicht ans Finanzamt übermittelt?

Die Antwort auf diese Frage ist leider ernüchternd: In der UStVA fehlen so gut wie alle umsatzsteuerlich relevanten Daten. Am besten kann man dies verdeutlichen, wenn man sich die Pflichtangaben auf einer Rechnung ansieht. Auf einer Rechnung sind wertvolle Informationen enthalten wie etwa der Name und die Anschrift des Leistungsempfängers, die Leistungsbeschreibung, Art und Menge der Lieferung bzw. Umfang und Art der sonstigen Leistung sowie natürlich der Rechnungsbetrag (aufgeschlüsselt nach Entgelt und Steuersatz). 


Zwar erhält die Finanzverwaltung bzw. das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) weitere Daten zu Euren jeweiligen Umsätzen in Form der Zusammenfassenden Meldung (ZM), die auch abgeglichen werden. Allerdings werden diese zusätzlichen Daten in einer weiteren Übermittlungsform erhoben und dann nur mit der UStVA verglichen. Ein einheitlicher Datensatz existiert also nicht. 

Exkurs: Was passiert, wenn UStVA und ZM nicht übereinstimmen? 
Die Finanzverwaltung, bestehend aus Eurem Finanzamt und dem BZSt, kommuniziert untereinander. Solltet Ihr etwa in der UStVA eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung melden, muss diese selbstredend auch in der ZM auftauchen. Das Finanzamt und das BZSt tauschen regelmäßig Daten aus, um Unstimmigkeiten zwischen beiden Meldungen aufzudecken.

Warum sind mehr Daten besser?

Mehr Daten sind immer besser. Dieses Dogma sollten wir uns merken. Aufgrund der gegenwärtigen, sagen wir mal, begrenzten Datenlage vertraut das Finanzamt vor allem auf Eure Ehrlichkeit. Ja genau: Das Finanzamt vertraut auf Eure Ehrlichkeit, zumindest kurzzeitig. Dieses Vertrauen ist Fluch und Segen zugleich. Habt Ihr eine UStVA übermittelt, passiert in der Regel erstmal nichts. Denn nur unter bestimmten Umständen schlägt das interne Kontrollsystem im Finanzamt an, etwa wenn Ihr etwas “Außergewöhnliches” meldet. Was außergewöhnlich ist und was nicht, ist bei der spärlichen Datenbasis allerdings nicht immer ganz nachvollziehbar. 

Wie prüft das Finanzamt gegenwärtig Eure Umsatzsteuermeldungen?

Das Finanzamt bzw. das interne Kontrollsystem schlägt zum Beispiel bei einer UStVA an, wenn die Umsätze im Vergleich zu einem bestimmten Zeitraum zu hoch oder zu niedrig sind. Ein anderer – und der wohl bekannteste – Überprüfungsfall ist sicherlich der angesprochene Vorsteuerüberhang. In beiden Szenarien kann die Umsatzsteuernachschau das Überprüfungsinstrument des Finanzamts sein (§ 27b UStG).

Weitaus bekannter ist die ominöse Betriebsprüfung (“Außenprüfung” im Steuersprech). Hier kann das Finanzamt vollumfänglich mehrere Veranlagungszeiträume prüfen. Gefürchtet sind Betriebsprüfungen vor allem daher, weil gerade hier die Finanzbeamten erstmals steuerliche Sachverhalte genauer unter die Lupe nehmen. Neben Rechnungen, Verträgen oder Jahresabschlüssen können Betriebsprüfer auch Euer ERP-System durchforsten. 

Exkurs: Digitale Spurensuche bei einer Außenprüfung
Seit dem 01.01.2002 ist es den Finanzbehörden zwar gestattet, die Buchführung des Steuerpflichtigen auch durch direkten Zugriff auf seine Datenverarbeitungssysteme zu prüfen. Dies ist allerdings nur möglich im Rahmen einer Außenprüfung, wofür das BMF entsprechende Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) aufgestellt hat.

Exkurs: Was ist der Unterschied zwischen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung und einer Außenprüfung?
Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ist eine besondere Form der regulären Betriebsprüfung (Außenprüfung). Im Gegensatz zu einer Betriebsprüfung wird sie eher kurzfristig angekündigt und bezieht sich – wie der Name schon vermuten lässt – nur auf umsatzsteuerliche Sachverhalte. Der Prüfungsumfang bei einer Betriebsprüfung bezieht sich meist auf mehrere Steuerarten. 

Egal ob Umsatzsteuernachschau, Betriebsprüfung oder Umsatzsteuer-Sonderprüfung: In allen Fällen sichtet das Finanzamt erst wesentlich später Daten und etwaige Rechnungen zu Ausgangs- und Eingangsleistungen. Für Unternehmer ist das besonders ärgerlich, weil solche Prüfungen zeitlich sehr aufwändig sind und man sich hier vor allem mit Sachverhalten auseinandersetzen muss, die man vor mehreren Jahren steuerlich gewürdigt hat. Wenn dann das Finanzamt noch eine andere steuerliche Auffassung vertritt als man selbst, geht der Spaß erst richtig los.

Was ist nun der Vorteil von E-Invoicing?

Die momentane Datengrundlage bei der Umsatzsteuerdeklaration ist aus Sicht der Finanzverwaltung ziemlich mies. Nur wie kann da E-Invoicing helfen? 

Rechnungen sind aus umsatzsteuerlicher Sicht elementar. Sie sind quasi ein bereits zu Papier gebrachter Sachverhalt. Hier sind alle relevanten Fakten vorhanden, die man für die umsatzsteuerliche Würdigung benötigt. Allerdings ist die Rechnung – wie wir sie kennen – noch nicht wirklich digital. E-Invoicing setzt genau hier an. 

Schöne neue Datenwelt

Statt einzelner, nichtssagender Zahlen in der UStVA erhält das Finanzamt beim E-Invoicing einen strukturierten Datensatz, der alle steuerlich relevanten Daten enthält, die auch auf einer Rechnung zu finden sind. Es werden also nicht plump Rechnungen an das Finanzamt übermittelt, sondern Rechnungsdaten werden konsolidiert übermittelt. Der Vorteil eines strukturierten Datensatzes besteht darin, dass – egal wer Daten an die Finanzverwaltung sendet – der Datensatz immer dasselbe Format hat. 

Mit dieser “aufgetunten” Datenbasis könnte die Finanzverwaltung wesentlich gezielter Unstimmigkeiten erkennen. Entsprechend könnte die Finanzverwaltung Unstimmigkeiten früher gegenüber den Unternehmern ansprechen und somit schneller für Rechtssicherheit sorgen. Ebenso gehören dann analoge Betriebsprüfungen, wie wir sie bislang kennen, der Vergangenheit an.

Bis es soweit ist, steht allerdings noch ein langer digitaler Weg bevor. Denn strukturierte Datensätze und Massendatenanalysen sind in den hiesigen Finanzämtern gegenwärtig noch Fremdwörter. Genauso werden neue Prüfverfahren nicht über Nacht geschaffen – und setzen vor allem technologisches Know-how bei der Finanzverwaltung voraus. 

Bye Bye UStVA?

Durch die neue Datengrundlage, die durch das E-Invoicing entsteht, müssen auch bestehende Meldepflichten überdacht werden. Braucht es tatsächlich weiterhin UStVA, ZM oder Intrastatmeldungen, wenn genau dieselben Daten bereits durch das E-Invoicing konsolidiert an die Finanzverwaltung übertragen werden? 

E-Invoicing sollte daher mit Bürokratieabbau verbunden sein, denn doppelte Daten bei derselben Behörde braucht niemand!

Fazit und Ausblick

E-Invoicing kann die Tür ins Datenparadies öffnen. UStVAs könnten schon bald der Vergangenheit angehören, wenn strukturierte Datensätze und Massendatenanalysen in Deutschland Standard werden. Gezielte und effiziente Betriebsprüfungen, für die E-Invoicing die Basis stellt, sind für beide Seiten, Finanzverwaltung und Steuerpflichtige, erstrebenswert.

Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg. Mit E-Invoicing sind viele digitale Vorstufen verbunden, die von der deutschen Finanzverwaltung erst noch initiiert werden müssen. Hierfür muss ein digitales Umdenken in den grauen Fluren der Finanzämter stattfinden. Die nationale Einführung von E-Invoicing ist zwar der richtige Schritt. Zugleich muss E-Invoicing im EU-Kontext gesehen werden, damit vor allem auch grenzüberschreitende Leistungen über ein unionsweites System meldefähig sind


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