Digitalisierung in der EU: Deutschland nur Durchschnitt, beim E-Invoicing nur eine kleine Nummer

Die Europäische Kommission hat die aktuellen Ergebnisse des Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index, DESI) veröffentlicht. Erneut kommt Deutschland im Ranking nicht über einen Platz im Mittelfeld hinaus. Vor allem beim Thema E-Invoicing hinken die Unternehmen hinterher.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 4 min. Lesezeit
Digitalisierung in der EU: Deutschland nur Durchschnitt, beim E-Invoicing nur eine kleine Nummer

Was ist der DESI?

Wofür steht DESI? Der Index misst die Fortschritte der EU-Mitgliedstaaten bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit. Vier Kennzahlen fließen in den Index ein:  

  • Integration der Digitaltechnik  
  • Digitale öffentliche Dienste 
  • Humankapital
  • Konnektivität 

Seit 2014 berichtet die EU-Kommission regelmäßig über die digitalen Fortschritte in den Mitgliedsstaaten. Im aktuellen DESI-Ranking liegt Finnland auf dem ersten Platz, gefolgt von Dänemark und den Niederlanden. Schlusslichter sind Griechenland, Bulgarien und Rumänien. 

Deutschland steht beim Thema Digitalisierung im Fokus der Kommission: Angesichts der Position als größte Volkswirtschaft der EU werden die Fortschritte Deutschlands bei der digitalen Transformation in den kommenden Jahren entscheidend sein, damit die EU ihre Ziele für die digitale Dekade bis 2030 erreichen kann, heißt es im aktuellen DESI-Bericht. 

Nur, die Realität sieht anders aus: Im aktuellen Index erreicht Deutschland unter 27 EU-Mitgliedstaaten gerade einmal Platz 13. Im Vorjahr reichte es immerhin noch zu Platz 11. Dass Deutschland an Boden verloren hat, hat mehrere Gründe.

Abgeschlagen beim E-Invoicing 

Beim Thema Integration der Digitaltechnik landet Deutschland lediglich auf Platz 16. Der Grund: Vor allem im KMU-Bereich habe Deutschland zwar eine Reihe von Initiativen zur digitalen Transformation angestoßen. Dennoch sei man von dem Ziel einer grundlegenden digitalen Intensität der kleinen und mittleren Unternehmen noch weit entfernt. 

Bei vielen Indikatoren liegt Deutschland zwar nahe am EU-Durchschnitt – so etwa bei den Themen KMU mit Onlinevertrieb, KMU-Umsatz im Onlinehandel sowie grenzüberschreitender Onlinehandel. Bei anderen Aspekten ist Deutschland im Rennen um die digitale Wettbewerbsfähigkeit allerdings weit abgeschlagen. 
Bestes Beispiel hierfür ist der jüngst aufgenommene Indikator E-Invoicing. So stellen laut DESI-Zahlen nur knapp 18 Prozent der deutschen Unternehmen elektronische Rechnungen aus. Viele Mitgliedstaaten können hier mit deutlich besseren Zahlen aufwarten (siehe Box). Der EU-weite Durchschnitt liegt immerhin bei 32 Prozent. Bei der untenstehenden Auflistung muss berücksichtigt werden, dass gegenwärtig nur Italien ein verpflichtendes E-Invoicing vorschreibt. 

Anteil der Unternehmen, die elektronische Rechnungen ausstellen
(Angaben in Prozent)

Italien 94,9
Finnland 82,9
Estland 62,4
Slowenien 58,4
Dänemark 57,3
Schweden 45,4
Kroatien 43,0
Spanien 32,8
Litauen 26,7
Niederlande 25,4
Belgien 24,6
Frankreich 23,4
Malta 22,1
Österreich 22,0
Irland 18,7
Deutschland 17,7
Portugal 17,4
Rumänien 16,9
Slowakei 16,5
Lettland 14,9
Luxemburg 13,6
Ungarn 13,5
Polen 13,2
Zypern 13,1
Tschechien 12,2
Bulgarien 10,0
Griechenland n.b

Quelle: Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index, DESI)

Nicht viel anders sieht es beim Vergleich der digitalen öffentlichen Dienste aus. Wenig überraschend: Vor allem die Interaktion zwischen staatlichen Stellen und der Öffentlichkeit sollte in Deutschland unbedingt verbessert werden, so die Empfehlung der Kommission. 

Steuerpflichtigen ist sicherlich der digitale Status Quo der Finanzverwaltung bewusst, da sich seit Einführung des ELSTER-Portals hier nicht viel getan hat. Zwar hatte sowohl die Ampelkoalition als auch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) jüngst große Digitalisierungsvorhaben im steuerlichen Bereich angekündigt. Außer großen Worten ist hier allerdings noch nicht viel passiert. Der DESI zeigt, dass Steuerpflichtige seitens der deutschen Finanzverwaltung definitiv mehr erwarten dürfen.

Die besten Ergebnisse erzielt Deutschland beim Thema Konnektivität. Bei der Netzabdeckung mit 5G liegt Deutschland in der EU auf dem vierten Platz. Das größte Manko: Bei der Glasfaserabdeckung zählt Deutschland nach wie vor zu den schwächsten Mitgliedstaaten. Beim Thema Humankapital zeigt sich ein gemischtes Bild: Liegt der Anteil der IKT-Fachkräfte an der Erwerbsbevölkerung knapp über dem EU-Durchschnitt, verfehlt der Indikator „Mindestens grundlegende digitale Kompetenzen“ den Durchschnittswert. 

Noch viel Luft nach oben

Die DESI-Zahlen belegen: Bei der Verbesserung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist weiterhin viel Luft nach oben. Vielleicht ein kleiner Trost: Auch die beiden nächstgrößeren EU-Volkswirtschaften Frankreich (Platz 12) und Italien (Platz 18) zählen nicht zur Digitalisierungs-Spitzengruppe. Taktgeber in der EU sind eher kleinere Mitgliedstaaten wie die skandinavischen Länder, die Niederlande, Irland, Estland oder Malta. 

Positiv hebt die Kommission in ihrem Bericht hervor, dass die Bundesregierung das Thema Digitalisierung immerhin mittlerweile als Priorität sieht und derzeit an einer Digitalstrategie arbeitet. Mit Blick auf die Platzierung Deutschlands im DESI-Ranking kann man nur hoffen, dass den Worten auch endlich Taten folgen.

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