VAT in the Digital Age: Zwischenstand aus dem ECOFIN-Rat

Bei der Tagung des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) am 16. Juni 2023 stand auch die Initiative VAT in the Digital Age (VIDA) auf der Agenda. Mit dem Ziel einer „political guidance” gaben die Minister und Ministerinnen der EU-Mitgliedstaaten einen Zwischenstand.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
VAT in the Digital Age: Zwischenstand aus dem ECOFIN-Rat

Während der Sitzung äußerten sich die Mitgliedstaaten zu den einzelnen Aspekten der VIDA-Initiative (die Standpunkte können hier eingesehen werden). Insgesamt fand sich im ECOFIN-Rat eine breite Zustimmung zu dem Gesetzesvorhaben. Allerdings wiesen mehrere Mitgliedstaaten darauf hin, dass angesichts der ambitionierten Umsetzungsziele (vorwiegend in den Jahren 2025 und 2028) noch erhebliche technische Vorbereitungsleistungen erforderlich seien und dies bei den Umsetzungsfristen zu berücksichtigen sei. 

Im Wesentlichen lässt sich die Diskussion wie folgt zusammenfassen:

Das digitale Meldesystem und die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung fanden breite Zustimmung. Bei der genauen Ausgestaltung des Systems sind sich die Mitgliedstaaten allerdings noch uneinig. Einige fordern, dass die bereits eingeführten nationalen Systeme u.a. aufgrund der hohen Investitionskosten bestehen bleiben. Andere fordern eine Angleichung an das geplante EU-System. Auch der Umfang der zu meldenden Daten ist beispielsweise noch Diskussionsgegenstand. 

Die Vorschläge zur Plattformwirtschaft – insbesondere hinsichtlich der kurzfristigen Vermietung – wurden von einigen Mitgliedstaaten kritisch bewertet. Bei diesem Element der VIDA-Initiative scheinen die grundsätzlichen Auffassungen am weitesten voneinander abzuweichen, wenngleich – oder gerade weil – es sich hier um eine branchenspezifische Regelung mit unterschiedlicher Relevanz für die Mitgliedstaaten handelt. 

Die einzige Mehrwertsteuerregistrierung wurde insgesamt begrüßt. Viele Mitgliedstaaten verwiesen – ohne dabei konkret zu werden – auf weitere Diskussionen zu Detailfragen. Einige Mitgliedstaaten äußerten sich eindeutig positiv zur Ausweitung des One Stop Shops (OSS) sowie zur verpflichtenden Einführung des derzeit optionalen Reverse-Charge-Mechanismus in bestimmten Fällen. 

Wie wird die einzige Mehrwertsteuerregistrierung aussehen? 

Zur konkreten Ausgestaltung der einzigen Mehrwertsteuerregistrierung wurden während der ECOFIN-Sitzung nur wenige Details bekannt. Vertreter mehrerer Mitgliedstaaten wiesen darauf hin, dass hier noch weitere Details zu klären seien, unter anderem die technischen Anforderungen. 

Einen tieferen Einblick in den aktuellen Stand der Diskussion bieten die begleitenden Dokumente zur Sitzung: 

  • Die Ausweitung des bestehenden OSS auf inländische Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von Unternehmen an Privatkunden (B2C-Lieferungen) stößt auf breite Unterstützung, 
  • die Integration eines Moduls zur Behandlung von unternehmensinternen Verbringungen von Gegenständen wird weitgehend begrüßt, 
  • die obligatorische Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse Charge) in den im Vorschlag enthaltenen Fällen wird von den meisten Delegationen vorbehaltlich bestimmter Änderungen unterstützt, 
  • die verpflichtende Nutzung des Import One Stop Shops (IOSS) wird in Frage gestellt und im Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Änderungen des Zollkodex der Union geprüft, 
  • mit Blick auf die Ausweitung der Lieferkettenfiktion brachten viele Mitgliedstaaten Einwände vor.

Der aktuelle Diskussionsstand überrascht nicht wirklich. Vor allem die Ausweitung des bestehenden OSS sowie die Einführung eines neuen Moduls zur Meldung von Verbringungen fanden bereits vor Veröffentlichung der Legislativvorschläge breiten Zuspruch. 

Interessant werden dürfte die konkrete Ausgestaltung einer verpflichtenden Reverse Charge Regelung, die grundsätzlich von den Mitgliedstaaten unterstützt wird. Da die bisherige Regelung eine optionale Umsetzung ermöglicht, diese jedoch in vielen Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – noch immer nicht angewendet wird, scheinen hier durchaus noch Vorbehalte zu bestehen.

Die aktuelle Entwurfsfassung des neuen Art. 194 MwStSystRL würde zu einer weitgehend einheitlichen Ausgestaltung des Reverse-Charge-Verfahrens in der EU und damit zu einer starken Vereinfachung für Unternehmen führen. Aus unserer Sicht sind jedoch insbesondere die Nachverfolgungsinstrumente, und somit auch die Sicherstellung der Betrugsbekämpfung, noch nicht vollumfänglich nachvollziehbar. 

Gemäß des Vorschlags der EU-Kommission soll die Lieferkettenfiktion umfassend ausgeweitet werden. Dieser Vorschlag kam im Dezember 2022 für viele überraschend. Deshalb ist die Diskussion darüber nun weniger überraschend. Für weitere Details müssen sich Unternehmen und Steuerberater wohl bis nach der Sommerpause des Europäischen Rates gedulden.  

VIDA: Was bisher geschah 

  • Am 8. Dezember 2022 hat die EU-Kommission die Legislativvorschläge zu VIDA veröffentlicht. Ziel der VIDA-Initiative ist u.a. die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und die Beseitigung bürokratischer Hürden für Unternehmen im EU-Binnenmarkt. 
  • Derzeit durchläuft die Initiative den Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene und wird daher insbesondere im Rat der Europäischen Union diskutiert. 
  • Dabei wurden die Vorschläge der EU-Kommission zunächst intensiv in der Arbeitsgruppe „Steuerfragen” – einem Vorbereitungsgremium des Rates der EU – vorgestellt und diskutiert. 
  • Ein Zwischenstand der Auffassungen aller Mitgliedstaaten war nun Thema der ECOFIN-Ratssitzung. Der ECOFIN-Rat setzt sich aus den Wirtschafts- und Finanzministern und -ministerinnen der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Dem Rat kommt im EU-Gesetzgebungsprozess eine zentrale Rolle zu. Für Gesetzgebungsvorhaben im Zusammenhang mit der indirekten Besteuerung gilt in der EU das Einstimmigkeitsprinzip, d.h. die Vertreter aller Mitgliedstaaten müssen dem Gesetzesvorhaben zustimmen.

Wie geht es weiter? 

Mit der Sitzung am 16. Juni beendete der ECOFIN-Rat die Diskussionen zu VIDA unter schwedischem Ratsvorsitz. Die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño kündigte an, dass die Initiative unter spanischem Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2023 intensiv weiterverfolgt und eine Einigung bis zum Ende des Jahres angestrebt wird. Nach Verabschiedung der Legislativvorschläge auf EU-Ebene sind die Anforderungen zum Teil in nationales Recht umzusetzen. 

Selbstverständlich halten wir Euch auf unserem Blog zur weiteren Entwicklung der VIDA-Initiative auf dem Laufenden.

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