OSS-Mahnungen aus Spanien für Q3 und Q4 2021: BZSt dieses Mal nicht Schuld

Heute gibt es mal kein OSS-Fingerpointing in Richtung Finanzverwaltung. Heute blicke ich einmal in Richtung Steuerkanzleien und Onlinehändler! Einige von Euch Schlawinern haben bei den Fristen nicht aufgepasst, obwohl ich mir über Jahre den Mund fusselig geredet habe.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 4 min. Lesezeit
OSS-Mahnungen aus Spanien für Q3 und Q4 2021: BZSt dieses Mal nicht Schuld

Das Thema OSS ist für Onlinehändler und deren Steuerberater eine Dauerbaustelle. Unbegründete OSS-Mahnungen aus dem Ausland, zurückgewiesene Zahlungen durch das BZSt und kryptische Fehlermeldungen sind eindeutige Signale, dass die Digitalisierung der Finanzverwaltung noch nicht den Ansprüchen genügt.

In den vergangenen Tagen und Wochen ergingen hunderte Bescheide über Säumniszuschläge aus Spanien für die OSS-Meldungen der Quartale 3 und 4 in 2021 an deutsche Onlinehändler.

Aber! In diesem Artikel muss ich das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) – meinen ehemaligen Dienstherrn und Wächter des deutschen OSS-Portals – einmal in Schutz nehmen und dafür ein Hühnchen (bzw. ein Stück Tofu) mit Euch Schlawinern rupfen.

Als Vater von vier bezaubernden, aber auch herausfordernden Kindern bin ich es gewohnt, dass man mir nicht immer zuhört.

Dennoch habe ich in den vergangenen Jahren und Monaten auf unzähligen Wissens-Formaten für Steuerkanzleien immer darauf hingewiesen, dass die OSS-Fristen in Stein gemeißelt sind und man doch bitte die Meldung UND die Zahlung 5 Werktage vor Fristende leisten sollte. Hier sind noch einmal die Fristen.

  • 31.01. für Q4
  • 30.04. für Q1
  • 31.07. für Q2
  • 31.10. für Q3

OSS-Mahnungen aus Spanien für 2021 überwiegend nicht Schuld des BZSt

Fragen bzw. Anschreiben – wie die Folgende – haben mich in den vergangenen Tagen über die verschiedensten Kanäle erreicht.

Frage
Wir haben vor Kurzem bei einem Mandanten eine OSS-Mahnung für das 3. Quartal 2021 aus Spanien erhalten. Die Zahlung wurde auch als bereits geleistet angezeigt. Es erfolgte der Hinweis, dass die Zahlung für das 3. Quartal 2021 nach Fristende einging. Daher fordert Spanien 5 Prozent der Steuer als Executive Surcharge. Dieser Prozentsatz wird laut Auskunft der Finanzbehörde in Spanien – der Agencia Tributaria – bei verspäteter Zahlung pauschal festgesetzt.
Unser Mandant hat am 02.11.2021 den Betrag für das 3. Quartal an das BZSt überwiesen. Das offizielle Fristende für Q3 2021 war der 31.10.2021, ein Sonntag. Der darauffolgende 01.11.2021 ein gesetzlicher Feiertag.
Ist der Verspätungszuschlag gerechtfertigt?

Meine Antwort lautet in diesen Fällen immer.

Antwort
In diesem Fall ist der Verspätungszuschlag grundsätzlich gerechtfertigt, weil die Umsatzsteuer für Q3 2021 nicht bis zum Fristende 31.10.2021 in Spanien eingegangen ist, wie es § 18j Abs. 5 S. 3 UStG fordert: Die Entrichtung der Steuer erfolgt im Falle der Steuererklärung nach Satz 1 (= OSS-Erklärung) fristgemäß, wenn die Zahlung bis zum letzten Tag der Frist nach Absatz 4 Satz 3 bei der zuständigen Finanzbehörde des anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union eingegangen ist.

ABER: Darf Spanien eigentlich ab Tag 1 einen Säumniszuschlag erheben?

OSS-Mahnungen: Die Vorgehensweise von Spanien ist korrekt, aber zumindest fragwürdig

Würde Deutschland OSS-Meldungen mahnen, bei denen die Umsatzsteuerzahlung lediglich zwei oder drei Tage verspätet geleistet wurde? Nein!

§ 18j Abs. 5 S. 4 UStG ist da klar: § 240 der Abgabenordnung (= Säumniszuschläge) ist in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Säumnis frühestens mit Ablauf des zehnten Tages nach Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Monats eintritt.

Der Wortlaut des Artikels 369i MwStSystRL ist klar. Er betrifft aber nur die Frist, nicht den Zeitpunkt, ab dem Säumnis- und Strafzuschläge anfallen.

Artikel 369i MwStSystRL: Der diese Sonderregelung (= OSS) in Anspruch nehmende Steuerpflichtige entrichtet die Mehrwertsteuer unter Hinweis auf die zugrunde liegende Mehrwertsteuererklärung spätestens nach Ablauf der Frist, innerhalb der die Erklärung abzugeben ist.

Säumnis- und Strafzuschläge unterliegen dem jeweiligen nationalen Verfahrensrecht des Bestimmungslandes. Während Deutschland hier sehr human ist, fallen in Spanien ab dem ersten Tag 5 Prozent des Umsatzsteuerbetrages an.

Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass die Mitgliedstaaten für die Quartale 3 und 4 in 2021 ein Auge zugedrückt hätten. Gerade in diesem Zeitraum waren die OSS-Portale vieler Mitgliedstaaten häufig nur halb fertiggestellt. So gab es in Deutschland z.B. für Q3 2021 keine Möglichkeit des Uploads. Alles musste Zeile für Zeile und Betrag für Betrag per Hand eingetragen werden.
Zudem sind Bescheide über Säumniszuschläge nach mehr als zwei Jahren kein guter Stil – selbst, wenn es das nationale Verfahrensrecht hergibt.

Merke: OSS erfordert weiterhin Kenntnisse des nationalen Verfahrensrechts und wache Augen

Die letzten Monate haben allen Beteiligten klar vor Augen geführt, dass der OSS kein No-Brainer ist. Kurzfristige Änderungen durch das BZSt brachten z.B. Onlinehändler, die ihre Amazon-Lager im Ausland nicht sauber erfasst hatten, in arge Bedrängnis.
Wer darüber hinaus glaubt, dass für die OSS-Meldungen lediglich deutsches Recht zur Anwendung kommt, der irrt ebenso und zahlt Säumniszuschläge.

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