Betriebsprüfung und Betriebsprüfer in der digitalen Welt – Teil III

Wie lange dauert eine Betriebsprüfung und haben Tools wie Power BI einen entscheidenden Einfluss darauf? Ein Betriebsprüfer gibt Einblicke und Antworten – natürlich in nicht-dienstlicher Funktion.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 9 min. Lesezeit
Betriebsprüfung und Betriebsprüfer in der digitalen Welt – Teil III

Liebe Leserinnen und Leser,

ich freue mich, euch heute den dritten Teil von Betriebsprüfung und Betriebsprüfer in der digitalen Welt zu präsentieren. In den beiden ersten Teilen – die ihr hier im Blog findet – hatte sich Betriebsprüfer Daniel Denker, zu dessem Schwerpunkt sowohl Onlinehändler als auch Influencer gehören, euch bereits vorgestellt und dann das allgemeine Vorgehen eines Betriebsprüfers erklärt. Heute springen wir in das Herz der Prüfung und fragen uns, wie lange eine Prüfung dauert und ob Tools wie Power BI einen entscheidenenden Einfluss darauf haben. (Wie immer gilt: Daniel hat die folgenden Zeilen in nicht-dienstlicher Eigenschaft verfasst.)

Die Frage aller Fragen: Wie lange dauert eine Prüfung?

Eine beliebte Frage direkt zu Prüfungsbeginn ist immer: Wie lange wird die Prüfung dauern?

Das kann man pauschal nicht beantworten. Die Dauer einer Betriebsprüfung kann variieren und ist von vielen Faktoren abhängig. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass eine aktive und transparente Kommunikation den Prozess deutlich beschleunigen kann. Meiner Erfahrung nach kommen die Prüfungen schneller zum Abschluss, je mehr kommuniziert und proaktiv mitgearbeitet wird.

„Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass Betriebsprüfungen mitunter zu lange dauern.“

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Umfrageergebnisse des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI) zur durchschnittlichen Prüfungsdauer. Steuerliche Betriebsprüfungen dauern in Deutschland nach wie vor zu lange. Sie verursachen für Unternehmen und Finanzverwaltung erheblichen Aufwand und binden große finanzielle und personelle Kapazitäten.

Die Umfrage des BDI ergab folgendes Ergebnis (vgl. Umfrage BDI v. 27.9.2019, Steuerliche Betriebsprüfungen – Optionen für zeitgemäße Reformen, S. 7):

PrüfungsdauerProzentanteil
Bis zu einem Jahr7 Prozent
Zwischen 1 und 3 Jahren37 Prozent
Zwischen 3 und 5 Jahren40 Prozent
Zwischen 5 und 10 Jahren13 Prozent
Länger als 10 Jahre3 Prozent

Die Umfrage des BDI unter seinen Mitgliedern verdeutlicht die Probleme: Langjährige Rechtsunsicherheit und hohe Nachzahlungszinsen belasten fast alle Unternehmen. Dies wird zunehmend als Standortnachteil wahrgenommen – vor allem gegenüber Ländern wie Österreich oder den Niederlanden, die mit Modellen einer kontinuierlichen zeitnahen Prüfung („begleitende Kontrolle“ bzw. „horizontal monitoring“) praxistaugliche Alternativen anbieten (so der BDI). Ob durch das DAC7-Umsetzungsgesetz und der damit einhergehenden Reform der Betriebsprüfung, die teilweise bereits ab 2023 und teilweise erst ab 2025 Anwendung findet, eine Beschleunigung in der Praxis erreicht wird, bleibt abzuwarten.

Neben den verfahrensrechtlichen Änderungen im Bereich der Betriebsprüfung, sind die Entwicklungen in der Datenanalyse und ggf. der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Prüfungsalltag mit Spannung zu beobachten. Insoweit kann es allein aus Praktikersicht zu einer Verfahrensbeschleunigung kommen.

Man wundert sich jedoch, warum Betriebsprüfungen im E-Commerce häufig so unterschiedlich durchgeführt werden. Wie bereits in den ersten Blogbeiträgen (Teil 1 und Teil 2) beschrieben, liegt das auf der einen Seite häufig an der „Neuheit der Branche“, die viele Prüfer vor eine echte Herausforderung stellt. Zudem fehlt es in diesem Bereich in der Regel an einer ausgeprägten Fortbildung.

Fehlende Standards als Teil des Problems

Da typischerweise E-Commerce-Mandate bundesweit betreut werden, machen sich die regionalen Unterschiede der Betriebsprüfungen insbesondere in dieser Branche bemerkbar. Das wird mir in meinen Vorträgen und Schulungen zum Thema Betriebsprüfung & E-Commerce auch immer wieder von Berufsträgern mitgeteilt, sofern überhaupt Betriebsprüfungen stattgefunden haben.

Im E-Commerce geht es vielfach um die Analyse von Massendaten. Die Praxis zeigt, dass die einzelnen Bundesländer, Steuerbehörden und Betriebsprüfungsstellen durchaus unterschiedlich aufgestellt sind. Im Rahmen der Betriebsprüfung gibt es keine (bundesweit) einheitlichen Standards. So wird z.B. die sog. Summarische Risikoprüfung (SRP) nicht flächendeckend eingesetzt.

Die fehlenden einheitlichen Standards im Bereich der Betriebsprüfung hat der Bundesrechnungshof bereits im Jahr 2020 bemängelt. Dieses Problem besteht aber bis heute, denn die Betriebsprüfungsstellen der Länder nutzen IT-gestützte quantitative Prüfungsmethoden in unterschiedlichem Ausmaß und abweichender Intensität.

Die Spanne reicht vom Nichteinsatz über Erprobungen und vereinzelten Einsatz bis hin zum flächendeckenden Einsatz dieser Methoden, so der Bundesrechnungshof in seinem Bericht. Ein in einem Land entwickeltes Methodenset wird nicht bundeseinheitlich, wohl aber in anderen europäischen Staaten, beispielsweise in den Niederlanden, eingesetzt.

Einheitliche Maßstäbe dafür fand der Bundesrechnungshof in Deutschland insoweit nicht vor. Das kann ich aus der praktischen Prüferfahrung nur bestätigen. Das wird mir insbesondere beim Austausch mit anderen Betriebsprüferkollegen in der Bundesrepublik zudem regelmäßig bestätigt.

Vor gut einem halben Jahr hat das BMF nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder eine (aktualisierte) Zusammenstellung zu den automationsgestützten quantitativen Prüfungsmethoden in der steuerlichen Außenprüfung veröffentlicht (vgl. BMF vom 05.09.2023).

Bei einer Betriebsprüfung können mathematisch-statistische (quantitative) Prüfungsmethoden eingesetzt werden, um die Besteuerungsgrundlagen des Steuerpflichtigen zu verproben, und auf Plausibilität zu überprüfen.

Auch das Erkennen von Prüffeldern unter Risikogesichtspunkten ist mit quantitativen Prüfungsmethoden möglich.

Sofern Auffälligkeiten in den Angaben des Steuerpflichtigen auftreten, werden weitere Prüfungshandlungen veranlasst, um die Ursache zu klären. Gleichzeitig ist der Steuerpflichtige nach § 200 AO bei der Sachaufklärung zur Mitwirkung verpflichtet.

Wenn betriebliche Gründe eine glaubhafte Ursache für Auffälligkeiten sind, müssen Prüfer diese im Rahmen der Auswertung entsprechend berücksichtigen. Hier ist folglich insbesondere der Unternehmer gefragt.

Es besteht mithin das Risiko, wenn keine ausreichende Begründung vorgelegt werden kann, dass die Buchführung beanstandet wird, was eine (empfindliche) Schätzung nach § 158 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 162 AO zur Folge haben kann.

Bei einer BP können Prüfer auch mehrere quantitative Prüfungsmethoden einsetzen, denn die Methoden stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis zueinander, sondern ergänzen sich idealerweise gegenseitig und werden durch systematisch visualisierende Betrachtungen unterstützt. Der (kombinierte) Einsatz (mehrerer) quantitativer Prüfungsmethoden hängt von der Datenlage und dem Analyseziel der jeweiligen steuerlichen Außenprüfung ab. Das hat im E-Commerce aufgrund der Massendatenanalyse eine große Bedeutung.

Dass Betriebsprüfungen im E-Commerce also so unterschiedlich durchgeführt werden, hatte ich bereits beschrieben. Bedenklich sind vor allem die regionalen Unterschiede. Das kritisierte auch bereits der Bundesrechnungshof im Jahr 2020.

Regionale Vollzugsunterschiede gefährden nämlich eine gleichmäßige Besteuerung. Zwar erkennt auch das BMF die Herausforderung für die Betriebsprüfungen durch den digitalen Wandel sowie die erheblichen Unterschiede beim Einsatz der Methoden im Bundesgebiet. Bis heute zeigt die Praxis, dass sich aber (an der Basis) noch nichts getan hat.

Zur Sicherung einer gleichmäßigen Besteuerung durch einheitlichen oder gleichwertigen Steuervollzug und effizientere Betriebsprüfungen empfahl der Bundesrechnungshof dem BMF, auf eine bundeseinheitliche Ausrichtung der Prüfungsmethoden hinzuwirken. Dahingehende Tendenzen sind zwar zu erkennen, sind m.E. aber aus aktueller Praktikersicht noch nicht an der Basis angekommen.

In dem BMF-Schreiben aus September 2023 hat das BMF zumindest die quantitativen Prüfungsmethoden aktualisiert (z.B. Summarische Risikoprüfung, Stichprobenverfahren wie das Monetary Unit Sampling).

„Datenanalysetools gewinnen in der Praxis an Bedeutung.“

„Das Thema „Power BI“ ist mittlerweile ein zentrales Thema geworden, wenn man sich mit Betriebsprüfern unterhält.“

Stimmt das (Stand jetzt)? Nein. Es kommt hier darauf an, in welchem Bundesland der Betriebsprüfer tätig ist.

„Frage mal einen Betriebsprüfer in Niedersachsen oder Hamburg, ob er Power BI einsetzt. Der wird Dich derzeit mit großen Augen anschauen.“

Doch, was ist Power BI eigentlich? Die Betriebsprüfung arbeitet doch mit „IDEA“.

Power BI als Gamechanger?

Power BI, ist ein fortschrittliches Analyse- und Visualisierungstool von Microsoft. Power BI erlaubt es, umfangreiche Datensätze aus diversen Quellen zu importieren, zu analysieren und in klar strukturierten Dashboards zu präsentieren. Ein besonderes Feature ist die Möglichkeit, Buchführungskonten in Form von Balkendiagrammen zu visualisieren. Dies erleichtert es, die Gesamtentwicklung eines Kontos auf einen Blick zu erfassen und Unregelmäßigkeiten schnell zu identifizieren. Power BI bietet sogar die Option, Daten nahezu in Echtzeit darzustellen, was die Aufdeckung von Diskrepanzen vereinfacht.

Für Betriebsprüfer, die regelmäßig mit komplexen Datensätzen konfrontiert sind (wie z.B. bei Konzernprüfungen, Kassendaten, E-Commerce-Transaktionsdaten), erweist sich Power BI als unverzichtbares Werkzeug. Ein herausragendes Merkmal ist seine Benutzerfreundlichkeit, die es auch Laien ermöglicht, intuitive Berichte zu generieren. Viele Analysen können auch mit anderen Tools, und auch direkt aus IDEA, oder Excel, vorgenommen werden. Dies scheitert in der Betriebsprüfungspraxis aber meistens an den fehlenden Kenntnissen, wie man Massendaten innerhalb kurzer Zeit aussagekräftig und zielgerichtet analysiert. Power BI ist hingegen bedienerfreundlich und führt daher zu einer erheblichen Zeitersparnis und erlaubt es den Nutzern, sich auf die Analyse und Interpretation der Daten zu konzentrieren, anstatt auf deren manuelle Aufbereitung. Es kann also ein „Gamechanger“ sein.

Jedoch stehen Betriebsprüfer auch vor gewissen Herausforderungen. Die Qualität der Analyseergebnisse ist direkt abhängig von der Qualität der eingespeisten Daten. Unvollständige oder inkorrekte Daten können die Analyse verfälschen. Zudem bedarf es einer Einarbeitungsphase und spezifischer Schulungen für die Prüfer, um Power BI effektiv nutzen zu können.

Der Stand des Einsatzes von Power BI ist in der Bundesrepublik noch sehr unterschiedlich. Die Tendenz zeigt aber, dass früher oder später Power BI wohl flächendeckend eingesetzt wird. „Fragt sich nur wann.“

Spricht man mit Prüfern, die Power BI bereits im Einsatz haben, lässt sich zusammenfassend sagen, dass Power BI ein enormes Potenzial hat, um die Effizienz und Effektivität in der Betriebsprüfung signifikant zu steigern, was zudem auch zu einer Reduzierung der Prüfungsdauer führen kann.

Mit den vielen Funktionen und der intuitiven Bedienung stellt es dabei jedoch nicht nur für Prüfer, sondern insbesondere auch für Steuerberater ein essentielles Instrument dar. Es ermöglicht eine tiefgreifende Analyse und Überwachung von Geschäftsprozessen und trägt dazu bei, die Herausforderungen der digitalen Datenverarbeitung erfolgreich zu meistern.

Die Finanzverwaltung erkennt zunehmend die Notwendigkeit, digitale Lösungen wie Power BI zu adaptieren, um der wachsenden Datenmenge effektiv begegnen zu können. Die Entwicklungen bleiben mit Spannung abzuwarten.

In den kommenden Blogbeiträgen werde ich weiterhin über den aktuellen Stand der Betriebsprüfung informieren. Besonders im Fokus stehen dabei Entwicklungen im Bereich der digitalen Unternehmen, wie Online-Händler und Influencer & Co.

Ich freue mich darauf, mein Wissen und meine Erfahrungen mit Euch zu teilen, und Euch Einblicke in die Welt der steuerlichen Betriebsprüfung zu ermöglichen.

*Dieser Blog wurde in nichtdienstlicher Eigenschaft erstellt.

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