Betriebsprüfung und Betriebsprüfer in der digitalen Welt – Teil II

Als Steuerexperte, der seine Karriere als Betriebsprüfer begonnen hat und dessen Prüfer-DNA Taxdoo prägt, freue ich mich, einem Betriebsprüfer mit dem Fokus auf digitale Geschäftsmodelle eine Plattform zu geben – natürlich in nicht-dienstlicher Funktion.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 8 min. Lesezeit
Betriebsprüfung und Betriebsprüfer in der digitalen Welt – Teil II

Liebe Leserinnen und Leser,

ich freue mich, euch heute den zweiten von Betriebsprüfung und Betriebsprüfer in der digitalen Welt zu präsentieren. Im ersten Teil hatte sich Betriebsprüfer Daniel Denker, zu dessem Schwerpunkt sowohl Onlinehändler als auch Influencer gehhören, euch bereits vorgestellt. Heute gehen wir einen Schritt weiter und ich übergebe an dieser Stelle das Wort an Daniel. (Wie immer gilt: Daniel hat die folgenden Zeilen in nicht-dienstlicher Eigenschaft verfasst.)


Die Notwendigkeit einer Betriebsprüfung  

Der Prozess einer Betriebsprüfung wird oft als eine schwer durchschaubare Angelegenheit wahrgenommen. Nichtsdestotrotz liegen dem rechtliche Rahmenbedingungen zugrunde. Die Herausforderung befindet sich in den Details und der Umsetzung dieser Gesetze in der Praxis. Betriebsprüfungen sind ein integraler Bestandteil des steuerlichen Außenprüfungsdienstes und dienen dazu, die Steuerehrlichkeit zu gewährleisten und eine gesetzeskonforme Steuerfestsetzung sicherzustellen. Festzuhalten ist, dass die Betriebsprüfung Teil des Außenprüfungsdiensts der Steuerverwaltung der Länder ist. Sie ist für die Finanzbehörden der Länder ein wesentliches Instrument, Steuern nach Maßgabe der Gesetze festzusetzen und zu erheben.

„Der Außenprüfer hat die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind (Besteuerungsgrundlagen), zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen (§ 199 Abs. 1 AO)”.

Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg

Die Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen, deren Beratern und den Finanzbehörden ist entscheidend für den Verlauf und Ausgang einer Betriebsprüfung. Besonders im digitalen Sektor beobachte ich eine Tendenz zur Distanz, die durch die geografische Verteilung und die Natur der digitalen Geschäftsmodelle bedingt ist.

Woran kann das liegen?

  1. Der Steuerberater ist nicht vor Ort. Viele Steuerberater betreuen bundesweit digital agierende Unternehmen. Die Kommunikationskanäle sind dann eher über Telefon, Schriftverkehr und „E-Mail“. Das kann die Kommunikation „einschlafen“ lassen. Es kommt zu Kommunikationsschwierigkeiten und ggf. zu Verzögerungen.
  2. Digital agierende Unternehmer wie Influencer und Onlinehändler arbeiten meist vom häuslichen Arbeitszimmer aus und haben durch FBA & Co. kein eigenes Lager. Klassische Betriebsbesichtigungen wie bei einem lokalen Handwerksbetrieb finden also nicht statt.

Die Kommunikation ist das A und O in der Betriebsprüfung.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, ist m.E. eine stärkere und regelmäßige Kommunikation unerlässlich. Aus Beratersicht (und aus Prüfersicht) sollte daher versucht werden, die Kommunikation regelmäßig aufrechtzuerhalten und zu intensivieren. Geht ruhig proaktiv auf den Prüfer zu.

Anpassungen der Prüfer bei digital agierenden Unternehmen

Der digitale Wandel verlangt auch von den Prüfern eine entsprechende Anpassung ihrer Arbeitsweisen. Während traditionell die Prüfungen häufig im direkten Austausch im Unternehmen stattfinden, müssen Prüfmethoden und Kommunikationskanäle im digitalen Zeitalter neu gedacht werden. Hierbei ist es unabdingbar, dass die Prüfer die digitalen Kommunikationswege nicht nur nutzen, sondern auch die damit verbundenen Herausforderungen meistern. Insbesondere Prüfer, die erstmalig Onlinehändler prüfen, sind sich dieser Besonderheit ggf. noch nicht derart bewusst. Sitzt der Prüfer direkt im Unternehmen oder in der Steuerkanzlei und prüft, wird er sich regelmäßiger über die möglichen Feststellungen und Fragen austauschen. Die Abgabenordnung schreibt jedoch vor:

“Der Steuerpflichtige ist während der Außenprüfung über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen steuerlichen Auswirkungen zu unterrichten, wenn dadurch Zweck und Ablauf der Prüfung nicht beeinträchtigt werden” (§ 199 Abs. 2 AO).

Auch der Prüfer hat somit die Kommunikationswege offenzuhalten.

Warum E-Commerce-Mandate künftig vermehrt in den Fokus rücken?

Der E-Commerce-Sektor hat in den letzten Jahren – nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie – ein beeindruckendes Wachstum verzeichnet. Mit der zunehmenden Digitalisierung sind Online-Verkäufe zu einem wichtigen Bestandteil der Wirtschaft geworden.

Das Risikomanagementsystem – ein Instrument der Zeit

Seit einigen Jahren ist das sog. Risikomanagementsystem in der Finanzverwaltung implementiert. In den letzten Jahren hat sich das Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung als ein effektives Werkzeug erwiesen, um risikoreiche Fälle zu identifizieren und die Auswahl prüfungswürdiger Betriebe zu erleichtern. Im Bereich des E-Commerce führen bestimmte Signale dazu, dass diese Unternehmen vermehrt unter die Lupe genommen werden.

Dabei soll die Prüfung der Unternehmen innerhalb der Verjährungsfristen, bei denen von einem hohen Steuerrisiko ausgegangen werden kann, forciert werden. Es ist kein Geheimnis, dass gewisse Auswahlkriterien herangezogen werden. Allgemein lässt sich festzuhalten, dass die Betriebsgrößenklasse, bestimmte Risikoparameter und Compliance-Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Im Rahmen der Veranlagung werden die Betriebe zudem in drei grundsätzliche Risikoklassen (Risikoklasse 1 = hoch, 2 = mittel, 3 = gering) eingruppiert.

Ausschlaggebend sind auch allgemeine Compliance-Faktoren wie beispielsweise das Abgabe- und Zahlungsverhalten sowie die Erfüllung von Mitwirkungspflichten.

Das Risikomanagementsystem der Finanzämter wird bei E-Commerce-Mandaten häufiger „anschlagen“. Mit anderen Worten: Die rote Lampe geht an. Im Prinzip heißt das zwar erst einmal nichts. Es bedeutet nicht unbedingt, dass etwas falsch gelaufen ist. Aber das System suggeriert, dass hier genauer geprüft werden soll. Die Wahrscheinlichkeit einer steuerlichen Außenprüfung (oder ggf. Nachschau) steigt.

Klassische Risikosignale im Finanzamt:

  • (Extrem) rapides Wachstum
  • Teilweise nicht steuerbare Umsätze in Deutschland
  • Häufiger Vorsteuerüberhänge in Deutschland
  • Relativ hohe Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen/Verbringen
  • Kontrollmitteilungen aufgrund BZSt-Kontrollverfahren
  • Kontrollmitteilungen z.B. durch Taskforce oder (nun) durch das Plattformen-Steuertransparenzgesetz

Folgen derartiger Risikosignale:

  • Häufiger Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und/oder gewerbliche Prüfungen
  • Häufiger Umsatzsteuer-Nachschauen

Es kann aber auch sein, dass die entsprechende Branche (z.B. Onlinehandel oder Werbeagentur) als sog. „Richtsatzprüfung“ ausgewählt und daher ein bestimmter Fokus gelegt wurde.

Wie geht ein Prüfer allgemein vor?

Wie bei den Steuerberatern ist es bei den Betriebsprüfern auch: Es werden Schwerpunkte und Spezialisierungen gebildet. Prüft man als jüngerer Prüfer noch viele unterschiedliche Branchen, fokussiert man sich nach etwas Prüfererfahrung auf bestimmte Branchen (z.B. Handwerk/Bau, Ärzte und Apotheker, Autohäuser und Kfz-Werkstätte).

Hat der Prüfer einen Fall auf dem Tisch, wird er sich vorbereiten. Je nach Kenntnisstand über den Fall und die Branche ist dieses intensiver oder weniger intensiv.

Beispielhafter Ablauf aus Sicht eines Betriebsprüfers:

  1. Vorbereitung der Prüfung: (e-)Aktenanforderung und Durchsicht
  2. Beurteilung der Prüfungswürdigkeit
  3. Festlegung des Prüfungszeitraumes
  4. Festlegung der zu prüfenden Steuerarten (z.B. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer)
  5. Prüfungsanordnung erstellen und rausschicken
  6. Allgemeine, branchenbezogene Vorbereitung
  7. Besondere, fallspezifische Vorbereitung
  8. Festlegung der Prüfungsschwerpunkte (z.B. Vollständige Erfassung der Erlöse, GoBD/Aufzeichnungspflichten, innergemeinschaftliche Lieferungen, Auswertung Kontrollmitteilungen)

Wer sich mit dem E-Commerce-Sektor auskennt, weiß, dass die Musik in der Umsatzsteuer und vor allem in den vorgelagerten Systemen spielt. Der Datenzugriff auf vorgelagerte Systeme ist also ein Kernbereich der Betriebsprüfung eines Onlinehändlers. In erster Linie wird der Prüfer den Grundsatz der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung beleuchten.

Die GoBD im Fokus

Die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) spielen eine zentrale Rolle in der Betriebsprüfung, insbesondere bei digitalen Geschäftsmodellen.

Wurde das Belegprinzip eingehalten?

Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen durch einen Beleg nachgewiesen sein oder nachgewiesen werden können.

Sind die Geschäftsvorfälle progressiv und retrograd lückenlos überprüfbar (medienbruchfrei)?

Wie sind die Prozesse und (wie) wird die vollständige Erfassung von Erlösen sichergestellt (Verprobungen, Datenströme, Schnittstellen etc.)? Der Schnittstellenverprobung kommt eine wichtige Bedeutung zu.

Doch wie kann der Prüfer das überhaupt prüfen, wenn er gar nicht weiß, wie der Steuerpflichtige vorgeht?

Die Verfahrensdokumentation kommt ins Spiel.

Die GoBD fordern bekanntermaßen eine aussagekräftige und vollständige Verfahrensdokumentation.

Die Buchführung muss eine Beschaffenheit aufweisen, die es einem sachverständigen Dritten ermöglicht, sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und Lage des Unternehmens zu verschaffen.

Hier ist wieder die Kommunikation das A und O.

Daneben werden beispielsweise auch weitere klassische Überprüfungen vorgenommen:

  • Überprüfungen der innergemeinschaftlichen Lieferungen (Abgleich ZM)
  • Überprüfungen der Buch- und Belegnachweise
  • Abgleich mit Kontrollmitteilungen (z.B. eBay oder Amazon)
  • Auswertung von PayPal-Daten
  • Auskunftsersuchen in andere EU-Staaten

Der präzise Blick des Betriebsprüfers

Die Spezialisierung der Prüfer auf bestimmte Branchen führt zu einer gezielteren und effizienteren Prüfung. Ein Betriebsprüfer wird einen ihm zugewiesenen Fall mit akribischer Vorbereitung angehen, die von der Durchsicht der Akten bis hin zur Festlegung der Prüfungszeiträume und -schwerpunkte reicht. Wie auf Seiten der Steuerberater auch wird es selbstverständlich ebenfalls Prüfer und Prüferinnen geben, die zum ersten Mal einen Online-Händler prüfen und daher mangels Erfahrung ggf. „merkwürdige“ Fragen stellen.

Aber: Andersherum ist dies nicht anders, wenn ein erfahrener Prüfer auf einen Steuerberater trifft, der die erste BP bei einem seiner E-Commerce-Mandate hat.

Ich sage es mal so: Ein angemessenes Verständnis für die Perspektive der „Gegenseite“ sollte gezeigt werden. Schließlich besteht das gemeinsame Ziel darin, den Fall zu einem einvernehmlichen Abschluss zu bringen.

In den kommenden Blogbeiträgen werde ich weiterhin über den aktuellen Stand der Betriebsprüfung informieren. Besonders im Fokus stehen dabei Entwicklungen im Bereich der digitalen Unternehmen, wie Online-Händler und Influencer & Co. Ich werde daher auch auf die Themen Auskunftsersuchen, Kontrollverfahren/Kontrollmitteilungen, Auswirkungen des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes, Diskussionen über PowerBI sowie die Modernisierung der Betriebsprüfung durch das DAC7-Umsetzungsgesetz eingehen.

Ich freue mich darauf, mein Wissen und meine Erfahrungen mit Euch zu teilen und Euch Einblicke in die Welt der steuerlichen Betriebsprüfung zu ermöglichen.

*Dieser Blog wurde in nichtdienstlicher Eigenschaft erstellt.

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