Wie Inflation (schneller) zu mehr Steuerpflichten im Onlinehandel führen kann.

Inflation lässt nicht nur nominalen Wohlstand schrumpfen. Sie kann auch gerade im Onlinehandel (schneller) zu zusätzlichen Steuerpflichten führen.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
Wie Inflation (schneller) zu mehr Steuerpflichten im Onlinehandel führen kann.

Wir haben in den vergangenen Monaten Raten der Preissteigerung (Inflation) gesehen, die viele von uns entweder nur aus Geschichtsbüchern oder weit entfernten Staaten kennen. Bei Mandaten im Onlinehandel sollte das dazu verleiten, etwas regelmäßiger ins Steuer-Dashboard bzw. in die Daten zu schauen, um zusätzliche (Steuer)Pflichten der Mandanten nicht zu übersehen: im Bereich Umsatzsteuer und darüber hinaus.

Der Zusammenhang zwischen Umsatzsteuer und Inflation ist nicht komplex. Dennoch wollen wir uns das gemeinsam anschauen und die potenziellen zusätzlichen (Steuer)Pflichten in Zusammenhang bringen.

Inflation und Umsatzsteuer

Stand jetzt sind wir (wieder) deutlich von den hartnäckigen Inflationsraten vergangener Jahrzehnte entfernt. Dennoch haben die jüngsten Preissprünge, die viele Onlinehändler in den letzten Monaten durchgesetzt haben, dazu geführt, dass zunächst ihr Umsatz gestiegen ist, soweit die abgesetzten Mengen (Absatz) mindestens konstant blieben.

Preissteigerungen von 10, 15 oder gar 20 Prozent für einzelne Produkte waren dabei keine Ausnahme. Häufig führten diese Preissteigerungen aber nicht zu höheren (Brutto)Margen, sondern lediglich zu einer Kompensation höherer Einkaufspreise bzw. Produktionskosten. Selbst wenn somit der Gewinn auf Händlerseite höchstens stabil gehalten werden konnte, oder ein Gewinnrückgang etwas gebremst wurde – eine Steuer stieg und steigt durch die Inflation: die Umsatzsteuer.

Die Erklärung bzw. die rechtliche Grundlage dafür liefert uns § 10 Abs. 1 S. 1 und S. 2 UStG.

Satz 1: Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (...) nach dem Entgelt bemessen. Satz 2: Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer.

An dieser Stelle sei prophylaktisch erwähnt, dass der Staat(shaushalt) trotz dieses Zusammenhangs kein übergeordnetes Interesse an einer steigenden Inflation hat und sich die Mitgliedstaaten der EU sehr bewusst in Form der EZB der Preisstabilität verpflichtet haben.

Im Onlinehandel bedeutet das konkret: Mit den genannten Preisanpassungen stiegen bei vielen die Umsätze (nicht zwingend die Gewinne). Diese – häufig unstetigen – Umsatzsteigerungen können wiederum bestimmte steuerliche Pflichten ausgelöst haben. Die beiden wichtigsten schauen wir uns im Folgenden an.

Inflation und zusätzliche (Steuer)Pflichten

Wir beginnen dabei mit der Umsatzsteuer und dem ersten wichtigen Schwellenwert.

Lieferschwellen sind tot. Es lebe der Schwellenwert.

Galt bis zum 30.06.2021 die Regel, dass Steuerpflichten bei grenzüberschreitenden Lieferungen an Endverbraucher spätestens mit Überschreitung der nationalen Lieferschwelle im Bestimmungsland ausgelöst wurden und man sich somit an einzelne Staaten/Märkte herantasten konnte …. gilt das seit dem 1.7.2021 nicht mehr.

Mandanten, die ihre Produkte innerhalb der EU grenzüberschreitend verkaufen, haben jetzt zwei Optionen.

  • Bleiben diese mit ihren grenzüberschreitenden Verkäufen an Endverbraucher unter der Umsatzschwelle von 10.000 Euro (netto) pro Kalenderjahr, können sie diese Umsätze weiterhin im Heimatstaat versteuern – also mit 7 oder 19 Prozent.
  • Wird dieser Schwellenwert in Höhe von 10.000 Euro überschritten oder bewusst darauf verzichtet, ist jeder Verkauf an einen Endverbraucher innerhalb der EU im Bestimmungsland steuerpflichtig – also mit zahlreichen Steuersätzen zwischen 0 und 27 Prozent. Dann hilft aber der OSS.

Dabei ist zu beachten, dass der Schwellenwert in Höhe von 10.000 Euro netto für alle Lieferungen eines Händlers in alle EU-Staaten zusammen gilt – kumuliert pro Kalenderjahr. Ein langsames Herantasten an das Thema Internationalisierung, wie es bis Mitte 2021 möglich war, ist kaum noch möglich.

Insbesondere durch unstetige Umsatzsprünge – z.B. ausgelöst durch Preissteigerungen – können Steuerpflichten im EU-Ausland ausgelöst werden, die zu zahlreichen Herausforderungen führen.

  • Doppeltes Schulden von Umsatzsteuer, wenn der falsche Umsatzsteuersatz auf der Rechnung steht: im Ursprungsland und zusätzlich im Bestimmungsland.
  • Eine nicht korrekte Finanzbuchhaltung und damit einhergehend falsche Umsatzsteuer-Erklärungen, wenn die mit Überschreitung des Schwellenwertes entstehenden Fernverkäufe nicht identifiziert werden.

Doch die Umsatzsteuer bleibt nicht das einzige Risiko.

Keine Steuerpflicht, aber eng damit verbunden: Instrastat

Auch, wenn es keine zusätzliche Umsatzsteuerpflicht darstellt, gibt es eine weitere Pflicht, die eng mit der Höhe grenzüberschreitender Umsätze und Transaktionen verbunden ist: die Intrahandelsstatistik (Intrastat).

Mit Überschreiten bestimmter Schwellenwerte, die jeder EU-Staat selbst festlegen kann, entsteht die Pflicht zur regelmäßigen Abgabe der Intrahandelsstatistik. Dabei wird sogar unterschieden, ob es sich um eingehende oder ausgehende Transaktionen handelt.

Die Systematik haben wir hier grundlegend erklärt.

Die gute Nachricht: Die Intrastat-Schwellenwerte sind meistens deutlich höher als die vorgenannten 10.000 Euro im Rahmen der Umsatzsteuer.

Fazit

Inflation kann nicht nur nominalen Wohlstand schrumpfen lassen; sie kann auch zusätzliche Steuerpflichten schneller auslösen, als man das im Onlinehandel eigentlich geplant hat. Daher sei an dieser Stelle nochmals das erwähnt, was ich grundsätzlich jedem Steuerberater mit dem Fokus E-Commerce rate.

Wenn Mandanten im E-Commerce planen, ernsthaft und nachhaltig zu internationalisieren, ist ein Verzicht auf den Schwellenwert von 10.000 Euro ab Tag 1 grundsätzlich ratsam. So lassen sich Überraschungen vermeiden und saubere Prozesse von Beginn an aufsetzen.

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