Dropshipping und Umsatzsteuer Teil 1: der häufigste Fall & der restliche Umsatzsteuer-Hammer

Kürzlich haben wir uns die Risiken im Bereich Dropshipping angeschaut. Um Euch nicht sofort vollständig zu demotivieren, war das nur ein Teil der Wahrheit: Hier kommt der restliche Umsatzsteuer-Hammer!
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
Dropshipping und Umsatzsteuer Teil 1: der häufigste Fall & der restliche Umsatzsteuer-Hammer

Wir haben uns kürzlich einen der häufigsten Fälle im Bereich Dropshipping angeschaut. Das ist der Fall, in dem der Onlinehändler bei seinem Lieferanten nicht nur die Produkte, sondern auch gleich die gesamte Logistik einkauft.

Der Lieferant ist also auch verantwortlich für die Lieferung an den Kunden – er beauftragt den Spediteur – wie es hier in der folgenden Grafik zu sehen ist.

Wir hatten ausführlich darüber diskutiert, dass das dazu führt, dass sich unser Onlinehändler in jedem Bestimmungsland steuerlich registrieren muss. Er muss in jedem Bestimmungsland seine Umsatzsteuer in der Kette lokal deklarieren und abführen. Der OSS bleibt für ihn verschlossen.

Wir hatten in diesem Artikel zudem erklärt, dass das nur ein Teil des Desasters ist. Es kommt noch schlimmer. Im worst case fällt hier doppelt Umsatzsteuer für unseren Onlinehändler an. Das schauen wir uns jetzt einmal an. Wem das OSS-Debakel schon deprimiert hat, der sollte hier gar nicht erst weiterlesen.

Holy Mess! Lokale Registrierungen und noch mehr Schlamassel

Dazu schauen wir uns mal die Lieferung des Lieferanten an den Onlinehändler an: also die bewegte Lieferung. Diese Lieferung kann unseren Onlinehändler in weitere Bedrängnis bringen – und auch den Lieferanten.

Dafür schauen wir uns beide Parteien einmal gesondert an – mit dem Fokus auf den Onlinehändler/unseren Mandanten.

Der häufigste Fall im Dropshipping: Risiko für den Lieferanten

Aus umsatzsteuerlicher Sicht führt der Lieferant eine sogenannte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus. Warum?

§ 6a Abs. 1 UStG:

  • Der Abnehmer der Ware ist ein Unternehmer.
  • Die Ware gelangt dabei von einem EU-Staat (Deutschland) in einen anderen EU-Staat (Italien).

Innergemeinschaftliche Lieferungen sind grundsätzlich für den Lieferanten steuerbefreit gem. § 4 Nr. 1 b) UStG.

Spätestens seit dem 1.1.2020 (Inkrafttreten der sogenannten Quick Fixes) gilt aber Folgendes: Die Steuerfreiheit für die Lieferung des Lieferanten greift nur, wenn der Abnehmer (hier: Onlinehändler) über eine gültige UStID-Nr. eines anderen Mitgliedstaates (= nicht-Deutschland) verfügt. In diesem Fall sollte das eine italienische UStID-Nr. sein, die unser Onlinehändler für seine Einkäufe beim Lieferanten verwendet.

Das Ganze ist seit dem 1.1.2020 im § 6a Abs. 1 Nr. 2 b) UStG verankert.

Rhetorische Frage: Wird unser Onlinehändler über eine italienische UStID-Nr. verfügen, wenn er bislang fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass er seine Lieferungen über den OSS deklarieren kann? Nein!

Die Rechtsfolge für den Lieferanten lautet in diesem Fall – z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung: Bitte führen Sie nachträglich die Umsatzsteuer ab!

Schön und gut! Unser Mandant ist aber der Onlinehändler. Dem kann das doch egal sein, oder? Nein! Auch der wird zusätzlich mit Umsatzsteuer belastet, die vorerst – oder dauerhaft – zulasten seiner Marge geht. Das schauen wir uns einmal an.

Der häufigste Fall im Dropshipping: Risiko für den Onlinehändler

Neben dem zusätzlichen finanziellen Aufwand, dass sich unser Onlinehändler in allen EU-Staaten, die beliefert werden, lokal registrieren muss, kommt der finale Umsatzsteuer-Hammer noch on top!

Umsatzsteuer-Hammer Stück für Stück.

  • Es gelangt Ware aus Deutschland nach Italien für Zwecke des Onlinehändlers (= sein Einkauf beim Lieferanten). Dieser tätigt somit einen steuerbaren und steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb (i.g. Erwerb) in Italien.
  • Grundsätzlich hat er dafür auch gleichzeitig einen Vorsteuerabzug in Italien.
  • Kann er beides deklarieren bzw. geltend machen? Nein, da er vermutlich über keine steuerliche Registrierung in Italien verfügt.
  • Im Zweifel betrachtet Italien die Umsatzsteuer aus dem i.g. Erwerb abgabenrechtlich getrennt vom Vorsteuerabzug und kommt zur Erkenntnis, dass unser Onlinehändler Umsatzsteuer hinterzieht.

Damit aber nicht genug. Es gibt für solche Fälle noch den § 3d S. 2 UStG. Dieser besagt Folgendes: Verwendet unser Onlinehändler im Rahmen des Einkaufs beim Lieferanten – also für die erste Lieferung in der Kette – seine deutsche UStID-Nr., dann fingiert das Umsatzsteuerrecht einen steuerbaren und steuerpflichtigen i.g. Erwerb in Deutschland. Dieser i.g. Erwerb ist steuerbar und steuerpflichtig. Da dieser Erwerb gesetzlich fingiert ist, kommt ein Vorsteuerabzug in Deutschland nicht in Betracht.

Durch diese Norm will der Gesetzgeber sicherstellen, dass auch bei einer fehlenden Registrierung im EU-Ausland (hier: Italien), zumindest einmal die Umsatzsteuer aus dem i.g. Erwerb erhoben wird.

Diese (deutsche) Umsatzsteuer kann sich unser Onlinehändler erst erstatten lassen, wenn er nachweist, dass er sie ordnungsgemäß dort abgeführt hat, wo sie hingehört: in Italien.

Fazit: Umsatzsteuer frisst Dropshipping

Dieser Fall, der in der Praxis sehr häufig vorkommt, verdeutlicht das enorme finanzielle Risiko für alle beteiligten Unternehmen in der Kette.

Es ist so, dass nicht nur der OSS nicht zur Anwendung kommt. Eine umsatzsteuerliche Fehleinschätzung kann dazu führen, dass beide Unternehmen (Lieferant & Onlinehändler) auf einem Berg an nicht zu erstattender Umsatzsteuer sitzen bleiben – obwohl wir doch eigentlich in einem Allphasen-Netto-Umsatzsteuer-System mit Vorsteuerabzug leben, das Unternehmen weitgehend von einer Belastung durch Umsatzsteuer befreien soll. Es sei denn, sie vergeigen das Thema Dropshipping so dermaßen, wie hier vorgestellt.

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