Die digitale Transformation der Steuerkanzlei: Wie aus Papierbergen digitale Prozesse werden

Die Vorteile einer digitalen im Vergleich zu einer papierlastigen Kanzlei scheinen klar: schnellere Bearbeitungszeiten, bessere Kommunikation, mehr Transparenz. Allerdings stellt die Digitalisierung viele Kanzleien vor eine Mammutaufgabe. In diesem Beitrag zeigen wir Euch, was Ihr dabei beachten solltet – und welche Rolle Kanzleiinhaber, Steuerberater, Steuerfachangestellte und Buchhalter spielen.
David Dietsch
David Dietsch
  • 10 min. Lesezeit
Die digitale Transformation der Steuerkanzlei: Wie aus Papierbergen digitale Prozesse werden

Vor allem kleinere und mittelgroße Steuerkanzleien kämpfen mit der Digitalisierung

Speziell kleine und mittelgroße Steuerkanzleien stehen bei digitalen Transformation vor besonderen Herausforderungen. Wie sehen diese Herausforderungen im Detail aus?

Beschränkte Ressourcen und Fachkräftemangel

Im Vergleich zu größeren Kanzleien verfügen kleine und mittelgroße Einheiten häufig nur über begrenzte finanzielle, personelle und technische Ressourcen. Dies kann die Einführung neuer Technologien und die Anpassung an digitale Prozesse erschweren. 

Zudem stellt für kleinere Kanzleien die Suche nach qualifizierten Kräften mit digitalen Kompetenzen häufig eine große Herausforderung dar. Der demografische Wandel sowie mögliche standortspezifische Nachteile, z.B. eine schlechte oder nicht vorhandene digitale Infrastruktur oder fehlende Anbindung an den ÖPNV, erschweren die Personalsuche zusätzlich.

Digitales Neuland

Mit der Digitalisierung ihrer Steuerkanzlei betreten viele Steuerberater Neuland. IT-Sicherheit, Datenschutz sowie die damit verbundene Auseinandersetzung mit technischen und regulatorischen Anforderungen können speziell kleine und mittlere Einheiten schnell überfordern. Eine Digitalisierung im Vorbeigehen ist definitiv keine realistische Vorstellung. Im Gegenteil: Sie erfordert häufig organisatorische Veränderungen und eine umfassende Anpassung bestehender Arbeitsabläufe. 

Für kleine und mittlere Kanzleien kann es schwierig werden, diese Veränderungen zu managen und die Mitarbeiter für den Wandel zu gewinnen. Denn diese müssen nicht nur fachlich, sondern auch mental auf den Veränderungsprozess vorbereitet werden. Und das alles neben dem anspruchsvollen Tagesgeschäft.

Schritt für Schritt digital

Die Umstellung auf digitale Prozesse sollte schrittweise erfolgen, um Mitarbeitern und Mandanten Zeit zur Anpassung zu geben. Zu den wichtigsten Aspekten der Digitalisierung gehören:

  • Die Einführung digitaler Dokumentenmanagementsysteme,
  • Automatisierung von Arbeitsabläufen,
  • Nutzung von Cloud-Technologien,
  • Implementierung elektronischer Kommunikationswege und
  • Nutzung digitaler Buchhaltungssysteme.

Digitalisierung von Akten und Belegen

Der erste Schritt zur Digitalisierung einer Steuerkanzlei ist die Umstellung von Papierakten auf digitale Dokumente. Hierzu müssen alle Akten und Belege eingescannt und digital archiviert werden. Um einen reibungslosen Zugriff auf die Daten zu ermöglichen, solltet Ihr geeignete Dateiformate und Ablagestrukturen wählen.

Einführung einer digitalen Buchführung

Die Buchführung sollte auf digitale Lösungen umgestellt werden, um den Arbeitsaufwand zu reduzieren und die Effizienz zu steigern. Software wie DATEV und Taxdoo bieten umfangreiche Funktionen zur automatischen Erfassung, Verarbeitung und Analyse von Buchungsdaten.

Digitalisierung von Kommunikationsprozessen

Die Kommunikation mit Mandanten und Behörden sollte nach Möglichkeit über digitale Kanäle erfolgen. Seit dem 1.1.2023 steht das von der Bundessteuerberaterkammer eingeführte besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) auf der Steuerberaterplattform zur Verfügung. 

Über das beSt können sich Steuerberater elektronisch identifizieren. Dies ist der erste Digitalisierungsschritt auf der Steuerberaterplattform, die langfristig die sichere Kommunikation von und mit dem steuerberatenden Berufsstand ermöglichen soll. Zur Steuerberaterplattform gehört eine EGVP (Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach)-basierte Nachrichteninfrastruktur, um u.a. mit den Gerichten sicher digital kommunizieren zu können. 

Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Finanzverwaltung ausschließlich digital mit Euch kommuniziert. Der Grund: Bund und Länder sind durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen zu digitalisieren.

Identifizierung und Automatisierung von Routineaufgaben

Der Einsatz von Softwarelösungen macht es möglich, verschiedene Routineaufgaben in Eurer Steuerkanzlei zu automatisieren. Das spart Zeit und versetzt Euch in die Lage, sich auf anspruchsvollere und beratende Tätigkeiten zu konzentrieren.

Prädestiniert für Automatisierung sind die Buchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie Jahresabschlüsse. Aber auch Steuererklärungen und diverse Umsatzsteuerpflichten, bei denen Euch Taxdoo unterstützen kann. 

Selbstverständlich nutzen viele von Euch die Softwarelösungen der DATEV. Es lohnt sich jedoch, genau hinzuschauen, was Ihr alles über DATEV abbilden könnt, welche Module Ihr gegebenenfalls hinzubuchen oder weglassen könnt. Prüft auch, ob andere Softwarelösungen vielleicht besser zu Euren bisherigen digitalen Workflows passen. Oder ob diese Tools Euch überhaupt erst einen digitalen Workflow ermöglichen. Ganz ohne DATEV geht es natürlich auch nicht. Deshalb solltet Ihr immer darauf achten, dass die jeweiligen Softwarelösungen auch DATEV-kompatibel sind – wie z.B. Taxdoo.

Schulung und Fortbildung der Mitarbeiter

Die Umstellung auf digitale Prozesse erfordert eine entsprechende Schulung der Mitarbeiter. Kanzleiinhaber und Steuerberater sollten dafür sorgen, dass alle Mitarbeiter – von Steuerfachangestellten bis hin zu Buchhaltern – im Umgang mit den neuen Technologien und Arbeitsabläufen geschult werden. Welche Maßnahmen Ihr hier konkret ergreifen könnt, erklären wir Euch weiter unten.

IT-Sicherheit und Datenschutz

Bei der Digitalisierung von Steuerkanzleien hat der Schutz sensibler Daten höchste Priorität. Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls, Verschlüsselung und regelmäßige Backups sollten unbedingt implementiert werden, um Datenverlust oder unbefugten Zugriff zu verhindern.

Nicht alles auf einmal

Ein wichtiger Tipp: Bei der Umsetzung der Digitalisierung solltet Ihr nicht alle Prozesse auf einmal digitalisieren. Stattdessen solltet Ihr Euch auf einzelne, absteckbare Prozesse konzentrieren, wie z.B. die Erfassung von digitalen Belegen, Rechnungen und anderen Dokumenten schrittweise anzugehen. 

Durch dieses schrittweise Vorgehen stellt Ihr sicher, dass die Kanzlei das Tagesgeschäft weiter bewältigen kann, während Ihr die Digitalisierung kontinuierlich vorantreibt. Auf diese Weise erzielt Ihr Teilerfolge, die das Engagement und die Motivation Eurer Mitarbeiter fördern, ohne sie mit einem komplexen Digitalisierungsprojekt zu überfordern.

Ein Beispiel: Um den Prozess zu erleichtern, könnt Ihr zunächst Mandanten identifizieren, bei denen Ihr die Digitalisierung relativ einfach und unkompliziert gestalten könnt. Die gesammelten Erfahrungen könnt Ihr dann auf schwieriger zu digitalisierende Mandanten übertragen. Der Vorteil: Ihr könnt sowohl das Tagesgeschäft als auch die Herausforderungen der Digitalisierung effizient meistern – und dabei die notwendigen Prozesse Schritt für Schritt optimieren.

Die Rolle der verschiedenen Akteure 

Für eine erfolgreiche Digitalisierung sind Zusammenarbeit und offene Kommunikation zwischen Kanzleiinhabern, Steuerberatern, Steuerfachangestellten und Buchhaltern entscheidende Faktoren. Kanzleiinhaber und Steuerberater sind für die Entwicklung und Umsetzung der digitalen Strategie verantwortlich, während Steuerfachangestellte und Buchhalter die neuen digitalen Prozesse in ihre tägliche Arbeit integrieren. 

Einbindung der Mandanten

Zugleich müsst Ihr Eure Mandaten als aktiven Teil Eurer Digitalisierungsstrategie begreifen. Denn auch die Zusammenarbeit mit den Mandanten verändert sich. Eine aktive Einbindung Eurer Mandanten hilft, die Vorteile der Digitalisierung voll auszunutzen und die Zusammenarbeit zu optimieren.

Weiterbildung und Qualifizierung von Kanzleimitarbeitern

Die digitale Transformation erfordert spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten. Nachfolgend zeigen wir Euch auszugsweise, welche Weiterbildungsangebote in Frage kommen, um die notwendigen Kompetenzen für eine erfolgreiche Digitalisierung zu erwerben.

Tax Technology Studiengänge 

Diese Studiengänge verbinden Steuerlehre und Wirtschaftsinformatik. Die Absolventen sind bestens gerüstet, um Steuerkanzleien bei der Digitalisierung zu unterstützen. Sie können digitale Geschäftsprozesse entwickeln und optimieren sowie Steuerberatung mit modernen IT-Lösungen verknüpfen. Diese Studiengänge werden u.a. angeboten:

Fachassistent für Digitalisierung und IT-Prozesse (FAIT)

Es muss nicht immer gleich ein Studium sein. Die FAIT-Fortbildung richtet sich an Steuerfachangestellte und Hochschulabsolventen, die ihre IT-Kompetenzen erweitern möchten. Die Fortbildung liefert Kenntnisse in der Automatisierung von Prozessen, der Anwendung von GoBD-Maßnahmen sowie der Zusammenarbeit mit Finanzbehörden.

Weitere Informationen hierzu erhaltet Ihr bei der Steuerberaterkammer Eures Bundeslandes.

Sonstige Fortbildungsmöglichkeiten

Es gibt viele Möglichkeiten, wie Mitarbeitende einer Steuerkanzlei ihre digitalen Kenntnisse – unabhängig von Studium oder Fortbildung – erweitern können. Hierzu zählen:

  • Online-Kurse und Webinare: Es gibt zahlreiche Online-Plattformen, die Kurse und Webinare zu Digitalisierung und IT anbieten. 
  • Fachliteratur und Blogs: Es gibt unzählige Fachbücher, Artikel oder Blogs zu Themen wie Digitalisierung, IT-Prozesse und Tax Technology. Dazu kommen Branchenpublikationen und Fachzeitschriften, die aktuelle Trends und Entwicklungen aufgreifen.
  • Seminare und Konferenzen: Die Teilnahme an Seminaren, Workshops oder Konferenzen, die häufig von Fachverbänden, Bildungseinrichtungen oder Technologieunternehmen organisiert werden, vermittelt konzentriertes Fachwissen. Die Veranstaltungen ermöglichen auch den Austausch mit Experten und Kollegen.
  • Inhouse-Schulungen und -Workshops: Die Kanzlei kann Schulungen und Workshops zu digitalen Themen organisieren, die von internen Experten oder externen Referenten durchgeführt werden. Solche Veranstatungen tragen dazu bei, das Bewusstsein und die Kompetenz des gesamten Teams zu erhöhen.
  • Zertifizierungsprogramme: Es gibt verschiedene Zertifizierungsprogramme für Digitalisierung, IT und Projektmanagement. Diese Programme bieten oft strukturierte Lernpfade, die das erlernte Wissen validieren.
  • Peer Learning und Mentoring: Mitarbeiter können auch voneinander lernen, indem sie informelle Lerngruppen oder Mentoring-Beziehungen mit Kollegen aufbauen. Dies trägt dazu bei, Wissen und Fähigkeiten innerhalb des Teams zu teilen und eine Kultur des kontinuierlichen Lernens zu fördern.

Eine Kombination aus den genannten Ansätzen ist häufig die beste Strategie. Wichtig ist, dass Mitarbeiter und Kanzleiführung eine proaktive Haltung zur Weiterbildung einnehmen.

Digitalisierung als fortlaufender Prozess

Ganz wichtig: Die Digitalisierung einer Steuerkanzlei ist ein kontinuierlicher Prozess und kein einmaliges Ereignis! Um erfolgreich zu sein und wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Kanzleien sich kontinuierlich an technologische Entwicklungen anpassen.

Warum muss die Digitalisierung als fortlaufender Prozess gesehen werden? Hier die Gründe:

  • Technologische Entwicklungen: Technologien entwickeln sich ständig weiter und bieten neue Möglichkeiten zur Verbesserung von Prozessen. Kanzleien müssen am Puls der Zeit bleiben, um sicherzustellen, dass sie für ihre Bedürfnisse die besten digitalen Lösungen einsetzen.
  • Gesetzliche Änderungen: Steuergesetze und -vorschriften ändern sich regelmäßig. Um sich an die Änderungen anzupassen und das Risiko von Fehlern oder Strafen zu minimieren, müssen digitale Prozesse und Systeme ständig aktualisiert werden.
  • Kundenbedürfnisse: Auch die Erwartungen der Mandanten an digitale Dienstleistungen entwickeln sich kontinuierlich weiter. Kanzleien sollten darauf achten, die Anforderungen ihrer Mandanten zu erfüllen – und ihnen durch den Einsatz moderner Technologien einen Mehrwert zu bieten.
  • Prozessoptimierung: Es gibt immer Luft nach oben für Verbesserungen von Arbeitsabläufen und Prozessen. Die kontinuierliche Evaluierung trägt dazu bei, die Produktivität zu steigern und den Arbeitsaufwand für Mitarbeiter und Mandanten zu reduzieren.
  • Mitarbeiterentwicklung: Der Prozess der Digitalisierung erfordert, dass Mitarbeiter ihre Fähigkeiten und Kenntnisse ständig erweitern. Durch kontinuierliche Weiterbildung stellen Kanzleien sicher, dass ihr Team mit digitalen Trends vertraut ist und diese wirksam einsetzen kann.

Kurzum: Ein proaktiver Ansatz zur Digitalisierung und die Bereitschaft, sich an Veränderungen anzupassen, sind entscheidend für den langfristigen Erfolg einer Steuerkanzlei in der digitalen Welt. Wichtig ist, Digitalisierung als fortlaufenden Prozess zu betrachten. Dieser Prozess erfordert eine kontinuierliche Anpassung, um die Vorteile der neuen Technologien voll auszuschöpfen.

Fazit

Die Digitalisierung hat weitreichende Auswirkungen auf die Steuerbranche. Für eine erfolgreiche Navigation in der sich ständig verändernden digitalen Landschaft ist es wichtig, dass Steuerkanzleien sowohl in digitale Prozesse als auch in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren. 

Die FAIT-Fortbildung oder der Studiengang „Tax Technology” sind zwei Möglichkeiten, um sich digitales Fachwissen anzueignen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Bildungsangeboten wie Online-Kurse, Fachliteratur, Seminare, Inhouse-Schulungen oder Zertifizierungsprogramme, die Kanzleimitarbeiter nutzen sollten, um ihre Kenntnisse auszubauen.

Um den digitalen Herausforderungen proaktiv zu begegnen, müssen vor allem kleinere und mittelgroße Steuerkanzleien in die Digitalisierung investieren und ihre Mitarbeiter fördern.  Dabei helfen Partnerschaften mit Technologieanbietern oder anderen Kanzleien, Ressourcen und Know-how zu bündeln.

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