Der BFH und das Metaverse: Alles nur ein Spiel?

Es kommt nicht oft vor, dass sich ein deutsches Gericht zu einem zukunftsträchtigen Geschäftsmodell wie dem Metaverse äußert, bevor dieses überhaupt relevant ist. Vor allem nicht im Umsatzsteuerrecht. Trotzdem liegt eine Entscheidung des BFH vor, die sowohl Auswirkungen auf die reale als auch die virtuelle Welt hat. Was der BFH im Metaverse verloren hat, erklären wir Euch in diesem Blogbeitrag.
David Dietsch
David Dietsch
  • 4 min. Lesezeit
Der BFH und das Metaverse: Alles nur ein Spiel?

Was hatte der BFH zu entscheiden?

Der BFH (Urt. v. 18.11.2021 – V R 38/19) musste sich mit Second Life auseinandersetzen, welches als das erste Metaverse seiner Art gilt. Second Life hatte bereits zu seiner Hochzeit wesentliche Funktionen, wie sie aktuell und bei künftigen Metaversen geplant sind. Wie Metaversen zukünftig aussehen könnten und welche Chancen damit für den E-Commerce verbunden sind, könnt Ihr hier nachlesen. 

Konkret mussten die Münchener Richter beurteilen, was die Vermietung von virtuellem Land in Second Life gegen die virtuelle Währung „Linden Dollar“ umsatzsteuerlich darstellt. 

Der BFH sah Second Life lediglich als Spielwelt – mit der Konsequenz, dass die dortigen Vorgänge nur spielintern sind. Solche Vorgänge, die nur zwischen Spielern stattfinden, stellen laut BFH keine Beteiligung am realen Wirtschaftsleben dar. Erhält ein Spieler daher im Spiel einen Vorteil, z.B. ein virtuelles Grundstück, stelle dies keinen verbrauchsfähigen Vorteil im umsatzsteuerlichen Sinne dar. Der Verkauf eines virtuellen Grundstücks zwischen Verkäufer und Käufer in Second Life sei daher kein steuerbarer Umsatz, so der BFH.

Ganz ohne Umsatzsteuer sollte dieser Vorgang aber dann doch nicht bleiben. Der BFH sah sich nämlich den Umtausch der virtuellen Währung “Linden Dollar” genauer an  – und bejahte stattdessen ein Kommissionsgeschäft für den Umtausch der virtuellen Währung.

Exkurs: Kommi-Was? Kommissionsgeschäft! 
Jetzt wird’s kompliziert. Der BFH sah in den “Linden Dollar”, die der Mieter an den Vermieter übertrug, ein Kommissionsgeschäft. Bei Kommissionsgeschäften existieren aber drei handelnde Personen. Hier kommt also noch der Spielebetreiber als Kommissionär hinzu. Konkret wurde also nur die Übertragung der “Linden Dollar” betrachtet, die Linden Labs im eigenen Namen für fremde Rechnung (Verkaufskommission) an andere Spieler tätigte. Wer das kompliziert oder gar konstruiert findet, ist hier in bester Gesellschaft. 

Spielewelt vs. virtuelle Welt 

Die Entscheidung des BFH sorgte für einiges Stirnrunzeln, sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt. Letztlich besagt das Urteil, dass jede virtuelle Welt automatisch auch eine Spielwelt ist. Mit der Konsequenz, dass dortige Vorgänge nicht von der Umsatzsteuer erfasst sind. Erst wenn virtuelles Geld, welches dem BFH entsprechend nur Spielgeld ist, wieder in “echtes” Geld umgetauscht wird, kann es umsatzsteuerlich relevant werden. 

Ist aber wirklich jede virtuelle Welt auch automatisch eine Spielwelt? Der BFH würdigte, anders als die Vorinstanz (FG Köln, Urt. v. 13.8.2019 – 8 K 1565/18), mit keinem Wort die Möglichkeit der Nutzer, virtuelle Gegenstände durch 3D-Modularwerkzeuge selbst zu schaffen. Second-Life-Nutzer waren nämlich meist Urheber der selbstgeschaffenen virtuellen Gegenstände, also auch etwa der virtuellen Grundstücke, die sie erworben und weiterverarbeitet haben. 

Gerade solche urheberrechtlichen Vorgänge finden normalerweise in keinem Computerspiel statt. Bei herkömmlichen Computerspielen ist die Kreativität des Nutzers, etwa bei der Charaktererstellung, beschränkt. Entsprechend gibt der Spielehersteller nur den Rahmen vor, indem sich der Spieler dann vermeintlich “frei” bewegen kann. Bei Metaversen wie Second Life ist das allerdings anders. Hier gab Linden Labs keinerlei Rahmen vor und den Nutzern die volle Kontrolle über die virtuelle Welt. 

Dieser Umstand war zu Hochzeiten von Second Life vollkommen neu und lockte neben normalen Nutzern auch zahlreiche Unternehmen wie etwa Adidas an. Solche Unternehmen ließen sich natürlich nicht irgendwo in Second Life nieder. Sondern an Orten, wo besonders viele Nutzer anzutreffen waren, also tendenziell dort, wo es was zu sehen gab (ganz wie im herkömmlichen Internet). Entsprechend wertvoll wurden dann virtuelle Grundstücke in Second Life. 

Der BFH sah in seiner strikten Trennung zwischen Spielwelt und realer Geschäftswelt daher nicht, dass auch eine virtuelle Welt Teil der realen Geschäftswelt sein kann. 

Fazit und Ausblick

Schon jetzt wagen sich immer mehr Unternehmen in Metaversen vor. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis man nicht nur virtuelle Gegenstände, sondern auch physische Gegenstände im Metaverse erwerben und sich nach Hause liefern kann. Spätestens dann sollte klar sein, dass die reale Geschäftswelt auch in die virtuelle Welt reicht und umgekehrt. 

Falls Ihr noch nicht genug von dem Thema habt, findet Ihr eine detaillierte kritische Auseinandersetzung im MwStR 2022, 378-383 (Dietsch, Leistungen im Metaverse nach dem Urteil des BFH v. 18.11.2021 – V R 38/19 zu Second Life). 

Verfasse einen Kommentar

Deine E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht

Bitte halte Dich an die Kommentarrichtlinien

Weitere Beiträge

21. April 2024

Finanzamt stoppt App, weil “zu unkompliziert”: Brauchen wir Mindeststandards für TaxTech?

Generative KI findet im Bereich TaxTech Einzug. Es mehren sich jedoch auch die Fälle von Steuerverkürzungen – induziert durch KI – in...
David Dietsch
David Dietsch
  • 4 min. Lesezeit

GTK Kröger Steuerberater: Erste Praxiserfahrungen mit Taxdoos neuer Buchungslogik

GTK Kröger Steuerberater ist seit Jahren in engem Austausch mit Taxdoo und berichtet hier ausführlich über die Umstellung auf die neue Buchungslogik...
David Dietsch
David Dietsch
  • 6 min. Lesezeit

Betriebsprüfung und Betriebsprüfer in der digitalen Welt – Teil III

Wie lange dauert eine Betriebsprüfung und haben Tools wie Power BI einen entscheidenden Einfluss darauf? Ein Betriebsprüfer gibt Einblicke und Antworten –...
David Dietsch
David Dietsch
  • 9 min. Lesezeit