ViDA 2025: Alles aus oder gibt es Hoffnung für den E-Commerce?

ViDA steht für VAT in the Digital Age und sollte ein Umsatzsteuerrecht mit einem Mindset aus dem Jahr 1993 in das digitale Zeitalter überführen. Es mehren sich die Zeichen, dass die Beharrungskräfte stärker sind.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 4 min. Lesezeit
ViDA 2025: Alles aus oder gibt es Hoffnung für den E-Commerce?

Wir leben im digitalen Zeitalter. Zumindest postulieren wir das regelmäßig. Die Regulierung, die uns umgibt und ohne die es nicht geht, hinkt leider teilweise immens hinterher. Besserung ist derzeit nicht in Sicht. VAT in the Digital Age (ViDA) ist das beste Beispiel. Diese grundlegende Reform soll(te) ab 2025 das Umsatzsteuerrecht in ein neues Zeitalter überführen. Das wäre insbesondere für den E-Commerce ein gewaltiger Effizienz-Treiber: #byebyebürokratie.

Vi DAs? (Sorry für dieses Wortspiel! Liest man derzeit ViDA-Fachartikel, kommt keiner davon ohne aus.)

ViDA?

Im Kern dieser mit Abstand größten Reform des Umsatzsteuerrechts – seit 1993! – stehen die folgenden drei Säulen.

  • Der Wegfall von steuerlichen Registrierungen im Ausland für alle Onlinehändler durch den Ausbau des One-Stop-Shop (OSS).
  • Einem Reporting an die Finanzbehörden, das möglichst in Echtzeit erfolgt – basierend auf einem EU-Standard für E-Invoicing.
  • Der Übertragung vieler wesentlicher Steuerpflichten auf die elektronischen Gatekeeper/Plattformen – also Amazon & Co. – wie es bei den digitalen Dienstleistungen bereits seit 2015 der Fall ist.

Mit der Umsetzung sollte bereits ab dem 1.1.2025 begonnen werden. Das war der Plan. Warum bin ich aktuell nicht sehr optimistisch? Eine politische Einordnung!

ViDA: eine politische Einordnung

Der Umsatzsteuerrechtler in mir würde an dieser Stelle gerne über die einzelnen Maßnahmen und deren Einordnung für den E-Commerce sprechen, denn darum sollte es doch gehen: gute Regulierung, die Technologie und den damit verbundenen Fortschritt nicht ausbremst – quasi zwei Seiten derselben Medaille.

Schaut man sich den folgenden Werbeprospekt der EU-Kommission an, könnte man das auch glauben. Die Ambition dahinter ist absolut wünschenswert und auch dringend erforderlich, denn bislang haben wir lediglich punktuell an einem Umsatzsteuerrecht herumgeschraubt, das im Kern noch immer auf dem Stand von 1993 ist.

Quelle: EU-Kommission zu VAT in the Digital Age (ViDA)

Kommen wir zum politischen Aspekt: Es ist nicht zu übersehen, dass der Trend auch in der EU in Richtung Protektionismus geht. Das ist – ohne Wertung – an der Färbung vieler neu gewählter Regierungen zu beobachten und wird sich vermutlich auch ab 2024 auf EU-Ebene widerspiegeln.

Ist das die Zeit, in der sich 27 Nationalstaaten auf neue gemeinsame Standards bei einer der wichtigsten Einnahmequellen – der Umsatzsteuer – einigen werden? Davon ist nicht unbedingt auszugehen.

Hinzukommt, dass die durch die scharfen Zinsanstiege der vergangenen Monate zunehmend langsamer laufende Wirtschaft den nationalen Protektionismus noch verschärfen dürfte.

Der Rückenwind, den ViDA einst hatte – La ViDA Loca (letztes Wortspiel, versprochen! ) – hat sich gedreht.

Immer mehr ViDA-Gegenwind

Während in den vergangenen Monaten von zunehmend mehr EU-Staaten (u.a. Spanien) der Wunsch kam, den ambitionierten ViDA-Zeitplan zu entspannen, schlug in ihrer Sitzung am 24.10. die sogenannte ECON vor, mit den meisten Maßnahmen frühestens 2026 zu beginnen. Die ECON hat zwar kein Entscheidungsrecht und kann nur Vorschläge unterbreiten – jedoch bröckelt damit die Mauer derjenigen erheblich, die meines Erachtens zu Recht sagen. Wenn wir jetzt anfangen, diese Reform zu verschieben, dann wird sie dadurch Stück für Stück ausgehöhlt – vermutlich sogar begraben.

Wie geht es weiter?

ECOFIN-Sitzung am 8. Dezember 2023: Jetzt zählt es!

Entscheidend wird die ECOFIN-Sitzung am 8. Dezember 2023. Hinter dem Kürzel ECOFIN verbergen sich die Wirtschafts- und Finanzminister aller EU-Staaten. Können Sie dem Druck ihrer Nationalstaaten widerstehen und am 1.1.2025 festhalten? Wer das verfolgen will, kann das über einen Livestream machen, der am 8.12.2023 hier veröffentlicht wird.

Das ist der Stand und es bleibt zu hoffen, dass ViDA nicht als Tiger gestartet und am 8.12.2023 als Bettvorleger endet – dafür hängt zu viel davon ab, denn gute Regulierung kann ein Katalysator für (technologischen) Fortschritt sein.

Wo kann man solche Themen eigentlich mit Gleichgesinnten diskutieren? Wo bekommt man solche Einblicke her?

TeCIT Club – eine unabhängige, nicht-kommerzielle Plattform

Ich habe diesen Artikel noch unter den Eindrücken der diesjährigen Mitgliederversammlung des TeCIT Clubs geschrieben. TeCIT steht für FÖRDERVEREIN TECHNOLOGY, ECOMMERCE, INDIRECT TAXES E.V. und ist eine gemeinnützige Plattform.

Wer als Steuerrechtler bzw. als VAT-TaxTech-Nerd Gleichgesinnte sucht, die sich trotz der aktuellen ViDA-Wetterlage nicht entmutigen lassen, der kann sich gerne auf der TeCIT-Website umschauen und/oder mich persönlich ansprechen.

Einige Teilnehmer der hybriden Mitgliederversammlung des TeCIT Clubs 2023 auf der Tax Technology Conference in Frankfurt – und Chubaka

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