Die UStID im digitalen Zeitalter: ein Spiegelbild der Herausforderungen und Chancen im Steuerrecht

Die UStID ist im Onlinehandel aus steuerlicher Sicht eine Schlüsselkomponente, die Händler häufig vor Probleme stellt. Das führte jetzt zu einer Finanzinnovation bei Amazon.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 6 min. Lesezeit
Die UStID im digitalen Zeitalter: ein Spiegelbild der Herausforderungen und Chancen im Steuerrecht

Rechnung durch Amazon heißt die neueste Finanzinnovation von Amazon, um Nutzer der Plattform von komplexen und risikobehafteten steuerlichen Regeln zu befreien. Ein Aspekt spielt dabei das Handling einer Nummer. Welcher Nummer? In unserem zunehmend digitalisierten Steuerrecht spielt die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UStID oder VATID) eine zentrale Rolle, nicht nur im E-Commerce. Sie besteht in Deutschland aus einer Sequenz von 9 Ziffern und 2 Buchstaben und ist weit mehr als nur eine Nummer.

Struktur der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in Deutschland: DE123456789

Sie ist ein Indikator für den aktuellen Stand der Digitalisierung und Automatisierung im Steuerrecht – und zeigt deutlich, dass es hier noch erheblichen Optimierungsbedarf gibt. In diesem Blogpost geben wir euch Einblicke in die Herausforderungen und Risiken, vor denen sowohl Amazon als auch viele Onlinehändler beim Handling der UStID stehen.

Die Bedeutung der UStID im Onlinehandel

Die UStID wird regelmäßig genutzt, um die Unternehmereigenschaft im E-Commerce zu prüfen. Dies ist entscheidend, da grenzüberschreitende Lieferungen an Unternehmen – B2B-Lieferungen – im Gegensatz zu Lieferungen an Endverbraucher innerhalb der EU grundsätzlich steuerbefreit sind. Ohne gültige UStID des Abnehmers fällt die Steuerfreiheit seit definitiv 2020 weg. Die korrekte Handhabung der UStID ist somit nicht nur eine Formalie, sondern hat materielle Auswirkungen. Darüber hinaus ist der Handel auf elektronischen Marktplätzen – also Amazon & Co. – ohne eigene gültige UStID aufgrund der Marktplatzhaftung kaum mehr möglich.

Beispiel 1: Herausforderungen bei Amazon & Co.

Ein eindrückliches Beispiel bietet Amazon. Seit 2019 sind Marktplätze in Deutschland verpflichtet, die Umsatzsteuerpflicht und -Compliance ihrer Händler zu überprüfen. Ausgangspunkt ist dabei die gültige UStID des Händlers. Amazon unternahm kürzlich den Versuch, die Gültigkeit von Millionen von UStIDs in einem Rutsch zu prüfen, nur um festzustellen, dass die öffentlichen Datenbanken für ein solches Volumen an Abfragen nicht ausgelegt sind. Die Folge: tausende eingefrorene Guthaben von Amazon-Händlern, die steuerlich keine Fehler gemacht hatten.

Dieses Vorgehen offenbart nicht nur technische Mängel in den öffentlichen Datenbanken, sondern auch ein hohes Risiko für Händler, die ausschließlich auf Online-Marktplätzen verkaufen.

Hinweis: Wir waren selbst gezwungen, der EU zuzusichern (sic!), dass wir pro Tag max. eine niedrige fünfstellige Anzahl an (deutschen) UStIDs über VIES abfragen. Mehr Abfragelast verträgt das System leider nicht.

Aber auch beim direkten Verkauf kann die UStID eine zentrale Rolle spielen.

Beispiel 2: Herausforderungen im Taxdoo-Support

Ein weiteres Beispiel sind die Schwierigkeiten, die sich bei uns im Support bei der Pflege der UStIDs spiegeln. Viele Händler erfassen die UStIDs ihrer B2B-Abnehmer nicht korrekt in ihren ERP-Systemen. Dies führt zu rechtlichen Problemen und finanziellen Risiken.

Seit dem 1.1.2020 – Reform im Rahmen der sogenannten Quick Fixes – sind grenzüberschreitende B2B-Lieferungen innerhalb der EU (= innergemeinschaftliche Lieferungen) ohne gültige ausländische UStID des Abnehmers gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG i.V.m § 4 Nr. 1 lt. b) UStG nicht mehr steuerfrei.

Der finanzielle Schaden, der durch eine nachträgliche Versteuerung entsteht, ist enorm, da viele Unternehmen nicht hinreichend Marge erzielen, um diese Verluste auszugleichen.

Eine rückwirkende Heilung ist zudem nur möglich, wenn der Abnehmer nachweislich zum Zeitpunkt der Lieferung über eine gültige UStID verfügte. Amazon hat dieses Problem erkannt und bietet dafür nun eine Lösung an: Rechnung durch Amazon.

(Hinweis: Rechnung durch Amazon zielt auf noch deutlich mehr Erleichterungen für den Nutzer, die wir zeitnah in einem gesonderten Blogpost besprechen werden.)

UStID-Lösungen durch Amazon: Rechnung durch Amazon?

Das folgende Schreiben dürften aktuell alle Unternehmen bekommen, die auf Amazon Business registriert sind.


So funktioniert Rechnung durch Amazon.

Wenn Sie Waren über Rechnung durch Amazon bestellen, nutzen wir eine juristische Einheit namens Amazon Business EU Sarl, um das Produkt von Amazon Retail oder einem externen Business-Verkäufer zu kaufen, der sich für das Programm Rechnung durch Amazon angemeldet hat. Amazon Business EU Sarl verkauft Ihnen das Produkt dann am Ort der Lieferung. Für geeignete Produkte erhalten Sie alle Rechnungen von Amazon Business EU Sarl mit einem einheitlichen Kreditor und einer lokalen steuerlichen Registrierungsnummer pro Lieferland mit inländischer Umsatzsteuerbehandlung.

  1. Wenn das Produkt von einem Amazon Business-Verkäufer stammt, liefert der Verkäufer im Auftrag von Amazon an Ihre Adresse.
  2. Bei grenzüberschreitenden Umsätzen wird die Warenbewegung dem ersten Umsatz zugerechnet, sodass der Verkauf an dich im zweiten Umsatz für Umsatzsteuerzwecke im Lieferland als inländisch gilt. Unsere Rechnungen an Sie werden die inländische Umsatzsteuerbehandlung im Lieferland widerspiegeln.
  3. Die auf der Rechnung ausgewiesene umsatzsteuerliche Registrierung von Amazon Business EU Sarl gibt das Land an, in das die Waren geliefert werden.
  4. Wenn Sie Waren bei Amazon Business EU Sarl bestellen und sie nach Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Finnland, Portugal, in die Niederlande oder in die Slowakische Republik liefern lassen, erhalten Sie unter Umständen Rechnungen mit 0 % ausgewiesener USt, die sich auf die inländische Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gemäß den landesspezifischen Gesetzen beziehen, sofern diese anwendbar sind. Bitte wenden Sie sich gegebenenfalls an Ihre Steuerberatung, um zu erfahren, ob Sie in Bezug auf Ihre Einkäufe bei Amazon Business EU Sarl zur Meldung der Umsatzsteuer, zu Intrastat oder zur Einhaltung von Vorschriften verpflichtet sind.

Wenn man den Punkt 2 betrachtet, dann eliminiert Amazon vermeintlich das umsatzsteuerlich komplexe Konstrukt der innergemeinschaftlichen Lieferungen (durch ein noch komplexeres Konstrukt des Reihengeschäfts + innergemeinschaftliche Lieferung, das wir in einem weiteren Artikel beleuchten werden). Insbesondere für den Verkäufer gibt es auf Amazon Business dennoch kein böses Erwachen mehr, wenn er häufig erst nachgelagert feststellt, dass die UStID des Käufers/Abnehmers nicht gültig war, denn sein Abnehmer heißt immer Amazon und dort sollten man die eigenen UStIDs hoffentlich im Griff haben.

Laut unseren Daten sind auf Amazon Business 5 bis 8 Prozent aller UStIDs nicht gültig. Erfolgt ein grenzüberschreitender Verkauf an so eine UStID, schuldet der Verkäufer dafür die Umsatzsteuer.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Wie können diese Probleme gelöst werden? Zunächst ist eine bessere Integration und Pflege der UStIDs in ERP-Systemen erforderlich. Dies könnte durch verbesserte Schnittstellen und automatisierte Prüfprozesse unterstützt werden. Eine Modernisierung der öffentlichen Datenbanken wäre ebenfalls ein entscheidender Schritt, um die Kapazitäten für Massenabfragen zu erhöhen.

Des Weiteren sollten Händler regelmäßige Überprüfungen und Schulungen ihres Personals in Bezug auf die korrekte Handhabung der UStID durchführen. Hauptsächlich die Vertriebsabteilung sollte keinen neuen (ausländischen) Kunden mehr onboarden dürfen, der nicht über eine gültige UStID verfügt.

Wie schaut es mit dem Trend aus, dass Amazon sich immer tiefer in die Steuerprozesse der Nutzer im B2B-Segment eingräbt? Der Schritt von Amazon scheint aus steuerlicher Sicht gar nicht so unklug. Es bleibt abzuwarten, wie die Akzeptanz in der Breite aussehen wird, denn dafür spielen nicht immer nur steuerliche Argumente eine Rolle.

Hinweis in eigener Sache: Wir bei Taxdoo haben eine eigene Datenbank mit UStIDs aufgebaut, die wir regelmäßig mit den öffentlichen Datenbanken abgleichen. So erleben unsere Nutzer kein böses Erwachen im Rahmen von Betriebsprüfungen, denn dort ist die UStID regelmäßig eines der zentralen Prüffelder,

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