Umsatzsteuer-Sonderprüfungen brachten 2022 1,54 Mrd. Euro ein! Wie sieht es im Onlinehandel aus?

Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bringen jährlich Milliarden ein. Gibt es auch Zahlen für den E-Commerce bzw. Onlinehandel?
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
Umsatzsteuer-Sonderprüfungen brachten 2022 1,54 Mrd. Euro ein! Wie sieht es im Onlinehandel aus?

Begriffe wie Betriebsprüfung, Umsatzsteuer-Sonderprüfung, … erzeugen häufig ein ungutes Gefühl. Warum? Das deutsche Steuerrecht ist komplex. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kommen bei dem Versuch, sich an alle Regeln und Normen zu halten, besonders schnell an ihre Grenzen. Das zeigt sich regelmäßig an der Ergebnissen der Prüfungen durch die Finanzverwaltung, die wir uns in diesem Artikel anschauen.
Diese Prüfungen fallen nicht vom Himmel. Vielmehr ist es wesentlicher Grundsatz, der auch sehr zentral in der Abgabenordnung verankert ist.

§ 85 Abgabenordnung

Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.

Ich habe meine Karriere Mitte der 2000er-Jahre als Umsatzsteuer-Sonderprüfer begonnen, um zu helfen, diesen Besteuerungsgrundsatz umzusetzen. Denn eines ist klar: Ein gerechtes Steuersystem funktioniert kaum ohne Kontrollen, also: Betriebsprüfungen, Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, Lohnsteueraußenprüfungen, …

Gäbe es diese Arbeit nicht, wäre unser Steuerrecht ein Geflecht aus Dummensteuern. Dummensteuern?

Von der vermeidbaren Steuer zur Dummensteuer

Dieser Begriff wurde von den beiden großen Verstehern und Kommentatoren des Steuerrechts – Klaus Tipke und Joachim Lang – geprägt. Sie bezeichneten damit eine Steuer, die man mit entsprechender Expertise auf legalem Wege vermeiden kann.
In den letzten Jahren wurden damit aber auch zunehmend Steuern bezeichnet, bei denen die Finanzverwaltung an ihre Grenzen kommt und Prüfungen oft nicht möglich sind, sodass diese Steuern nur von den Ehrlichen gezahlt wurden und die Unehrlichen keine Sanktionen fürchten müssen.

Im Onlinehandel betraf das regelmäßig die Umsatzsteuer. Onlinehändler mit Sitz in Drittstaaten mussten sich in den vergangenen Jahren keine Sorgen machen, wenn bei ihnen galt: brutto = netto. Dumm war nur, dass das für konkurrierende Händler mit Sitz in der EU nicht galt und es somit zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung kam.
Wer mehr dazu lesen möchte, dem sei der folgende Artikel in der WirtschaftsWoche empfohlen, zu dem ich beitragen durfte.

Betriebsprüfung, Umsatzsteuer-Sonderprüfung, …. aktuelle Zahlen: echte Mehrergebnisse?

Was bringen denn nun diese Kontrollen? Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht regelmäßig Zahlen. Ganz aktuell ist das Mehrergebnis aller Umsatzsteuer-Sonderprüfungen in 2022.

1,54 Mrd. Euro konnten im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen von den Unternehmen nacherhoben werden. Das macht pro eingesetztem Umsatzsteuer-Sonderprüfer 910.000 Euro pro Jahr. Das überrascht nicht wirklich, denn die (in)offizielle Zielvorgabe – die auch noch aus meiner Zeit stammt und offenkundig nicht an die Inflation angepasst wurde – liegt bei 1 Mio. Euro pro Jahr.

Ist das dann auch Geld, das dem Staatshaushalt zur Verfügung steht? Teilweise! Denn teilweise sorgt die o.g. Zielvorgabe auch dafür, dass Mehrergebnisse nur auf dem Papier entstehen – bzw. nur für eine kurze Zeit.

Beispiel: Ein Unternehmen macht im Dezember 2022 100.000 Euro Umsatzsteuer aus einer Lieferantenrechnung als Vorsteuer beim Finanzamt geltend. Die Rechnung geht jedoch erst im Januar 2023 ein. Dann sagt der § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG sehr klar: Vorsteuer gibt es erst im Januar, wenn die Rechnung vorliegt! 

In diesem Beispiel hat der Prüfer, wenn er das Jahr 2022 prüft, ein Mehrergebnis von 100.000 Euro, was ihn den ersehnten Sprung in der Laufbahn (z.B. vom Steueroberinspektor zum Steueramtmann, oder von der Steueramtfrau zur Steueramtsrätin, ...) näher bringt. Das Unternehmen kann sich aber recht schnell die 100.000 Euro wieder erstatten lassen (wenn es überhaupt so weit kommt; oft fließt kein Geld mehr).

Wie hoch der genaue Anteil dieser Verschiebungen ist, lässt sich kaum sagen, da die Finanzverwaltung dazu keine Zahlen veröffentlicht. Seien wir optimistisch und nehmen an, dass der Anteil die 15 Prozent nicht übersteigt.

Viel wichtiger ist die Frage: Wo steht die Betriebsprüfung gerade? Insbesondere im E-Commerce!

Stand und Ausblick der Betriebsprüfung/Umsatzsteuer-Sonderprüfung

Mehr Hintergründe, Ein- und Ausblicke zu dieser Frage konnte Betriebsprüfer Daniel Denker (in nicht-dienstlicher Funktion) den Teilnehmern des Taxdoo Innovation Summits 2023 geben. Daniel war – auch was die Prüfungen im E-Commerce betraf – sehr offen und ehrlich.

Was die Prüfungen im E-Commerce bzw. Onlinehandel betrifft, konnte Daniel in seinem spannenden Vortrag ebenso aufklären, welche Werkzeuge der Finanzverwaltung zur Verfügung stehen – und welche nicht.

Betriebsprüfer Daniel Denker (in nicht-dienstlicher Funktion teasert seinen Vortrag auf dem Taxdoo Innovation Summit 2023 an)

Was haben die Prüfungen von Onlinehändlern in den vergangenen Jahren eingebracht?

Diese Frage lässt sich leider nicht beantworten, da die Finanzverwaltung noch keine Branchenzahlen veröffentlicht. Wir würden aber gerne gemeinsam mehr Licht in diese Blackbox bringen; lest daher bitte weiter!

Fazit

Ein gerechtes Steuersystem bedarf regelmäßiger Kontrollen, da wir anderenfalls dem Begriff der Dummensteuer sonst zu viel Raum geben würden. Dazu ist es aber auch wichtig, dass der Finanzverwaltung die richtigen Werkzeuge zur Verfügung stehen. Das ist im E-Commerce zwar zunehmend, aber noch nicht immer in Gänze gegeben. Daher ist es umso wichtiger, dass sich alle Seiten: Unternehmen, Steuerkanzleien, Finanzverwaltung, Technologieanbieter, … regelmäßig auf Augenhöhe begegnen und voneinander lernen.

Hattet Ihr bereits Erfahrungen mit der einen oder anderen Betriebsprüfung oder Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Onlinehandel? Wenn ja, schildert diese gerne für die anderen Steuerkanzleien und Händler hier in den Kommentaren!

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