Großbritannien: HMRC ändert Verfahren bei Umsatzsteuerbescheiden für ausländische Marktplatz-Onlinehändler

Ab September 2022 ändert die britische Steuerbehörde (HM Revenue & Customs, HMRC) das Verfahren für Umsatzsteuerbescheide an ausländische Marktplatz-Onlinehändler, deren Umsatzsteuererklärungen ungenaue Angaben enthalten. Statt wie bislang den Händler nach zusätzlichen Informationen zu fragen, erstellt die Behörde künftig sofort den Bescheid.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 3 min. Lesezeit
Großbritannien: HMRC ändert Verfahren bei Umsatzsteuerbescheiden für ausländische Marktplatz-Onlinehändler

Die britischen Steuerbehörden verfügen über umfangreiche Informationen der über Marktplätze getätigten Verkäufe von ausländischen Onlinehändlern. Das bedeutet: Bei Unstimmigkeiten in den übermittelten Umsatzsteuervoranmeldungen nutzt die Steuerbehörde die ihr bereits vorliegenden Informationen zur Steuerfestsetzung. 

Anstatt wie bisher weitere Informationen von den Onlinehändlern anzufordern, erlässt das HMRC ab September direkt den Bescheid basierend auf den zur Verfügung stehenden Informationen. Sollten Eure übermittelten Erklärungen also nicht mit den bei der Finanzbehörde übermittelten Daten übereinstimmen, wird der Umsatzsteuerbescheid automatisch basierend auf den Daten der Behörde erstellt. 

Die neue Vorgehensweise betrifft Umsatzsteuererklärungen für den Zeitraum bis Dezember 2020. Dies liegt daran, dass die Umsatzsteuervorschriften für ausländische Onlinehändler, die auf Marktplätzen in Großbritannien handeln, zum 01. Januar 2021 geändert wurden und seither in vielen Fällen die Steuerpflicht von ausländischen Onlinehändlern auf die Marktplätze übergegangen ist. 

Sollte ein Onlinehändler der Zahlungsverpflichtung aus seinem Bescheid nicht nachkommen oder hierfür keine Zahlungsfrist mit dem HMRC vereinbaren, wendet sich die Behörde an den Betreiber der Online-Plattform, über die der Onlinehändler seine Verkäufe abwickelt. 

Die Marktplätze erhalten in diesen Fällen aber keine erfreuliche Post vom britischen Finanzamt. Stattdessen stellt das HMRC diesem eine gesamtschuldnerische Haftungserklärung aus. Dadurch wird der Marktplatz für die potenziell nicht gezahlte Umsatzsteuer des Händlers haftbar gemacht.

Exkurs: Marktplatzhaftung – Warum sich das HMRC auch an Amazon & Co. wendet

Seit Jahren soll der Umsatzsteuerbetrug auf Marktplätzen wie Amazon, ebay & Co. eingedämmt werden. Hierzu wurde in Großbritannien bereits im Jahr 2017 und in Deutschland im Jahr 2019 die sogenannte Marktplatzhaftung eingeführt. ​​Im Grundsatz bedeutet Marktplatzhaftung, dass Marktplätze für die nicht abgeführte Umsatzsteuer von Onlinehändlern haften. Das bedeutet, wenn ein Onlinehändler seinen steuerlichen Pflichten nicht nachkommt und die Umsatzsteuer auf die ausgeführten Lieferungen nicht abführt, wendet sich das Finanzamt an den Marktplatz, auf dem der Verkauf ausgeführt worden ist.

Keine korrekten USt-Erklärungen, kein Handel

Wenn der Marktplatz einen Haftungsbescheid der britischen Finanzbehörden erhält, ist es wahrscheinlich, dass der Marktplatzbetreiber das Konto des Verkäufers sperrt und er nicht mehr auf dem Marktplatz handeln kann. 

Warum gehen Marktplätze in diesen Fällen diesen drastischen Schritt? Sofern Marktplätze die Onlinehändler innerhalb einer ihnen vom HMRC gesetzten Frist vom Verkauf auf ihrer Plattform ausschließen, werden sie nicht für die Umsatzsteuer in Haftung genommen.

Um diese drastischen Auswirkungen zu vermeiden, empfiehlt das HMRC ausländischen Onlinehändlern, mögliche Fehler in den bereits eingereichten Umsatzsteuererklärungen zu korrigieren, bevor sie den Bescheid erhalten, um mögliche Strafen zu vermeiden. 
Auch in Deutschland, Frankreich und Italien gibt es Regelungen zur Marktplatzhaftung, um den Umsatzsteuerbetrug auf Online-Plattformen einzudämmen. Und auf EU-Ebene wirft der nächste Schritt zu mehr steuerlicher Transparenz der Plattformwirtschaft seine Schatten voraus: Bis zum 01. Januar 2023 müssen die EU-Mitgliedstaaten die Regelungen zur Erweiterung der EU-Amtshilferichtlinie (DAC 7) in nationales Recht umsetzen. Hierzu hat das BMF vor Kurzem einen Gesetzent­wurf vorgelegt.

Digitale Plattformen stehen im Mittelpunkt

Die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden („Directive on Administrative Cooperation”, DAC) regelt den Austausch von Informationen über die in den EU-Mitgliedstaaten ansässigen Steuerpflichtigen. Die DAC-7-Richtlinie verpflichtet die Betreiber digitaler Plattformen zur Meldung von Steuer- und Finanzinformationen ihrer Nutzer an die jeweiligen Steuerbehörden. Die umsatzsteuerliche Behandlung der Plattformwirtschaft ist auch Teil der Initiative VAT in the Digital Age der EU-Kommission. 

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