EuGH verringert Risiko bei Rechnungsstellung

Rechnungen im E-Commerce stellen viele Onlinehändler vor große Herausforderungen. Die jüngste Entscheidung des EuGH könnte vielen Händlern das Leben leichter machen. Welche Vereinfachungen zu erwarten sind und warum EuGH-Richter künftig freien Eintritt auf allen Indoor-Spielplätzen in der EU haben, zeigen wir Euch in diesem Blogbeitrag.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
EuGH verringert Risiko bei Rechnungsstellung

Allgemeine Risiken bei der Rechnungsstellung 

Die Rechnungsstellung im E-Commerce ist mit vielen Risiken verbunden. Denn fehlerhafte Rechnungen haben unangenehme Folgen. Das deutsche Umsatzsteuerrecht unterscheidet zwischen Rechnungen mit unrichtigem und unberechtigtem Steuerausweis. Der Grund: Berichtigungsverfahren verlaufen unterschiedlich und können bei unberechtigtem Steuerausweis sehr langwierig sein, weil die Mitwirkung des Leistungsempfängers zwingend erforderlich ist. 

Für den EuGH spielt diese Unterscheidung jedoch keine Rolle, da das Unionsrecht eine solche Trennung nicht kennt. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass jemand eine Rechnung ausstellt, die zu Unrecht einen Steuerbetrag ausweist.

Mehr zu den allgemeinen Risiken bei der Rechnungsstellung findet Ihr in diesem Blogbeitrag.

Der EuGH möchte vom Indoor-Spielplatz abgeholt werden

Im konkreten Fall musste sich der EuGH mit den Umsätzen eines Indoor-Spielplatzes befassen. Der Spielplatzbetreiber hatte fälschlicherweise Rechnungen mit dem Regelsteuersatz ausgestellt, obwohl tatsächlich der ermäßigte Steuersatz anzuwenden war. Übertragen auf das deutsche Umsatzsteuerrecht läge hier somit ein unrichtiger Steuerausweis gemäß § 14c Abs. 1 UStG vor. Glücklicherweise kennt der EuGH diese Unterscheidung nicht. Nähere Ausführungen hierzu können wir uns also sparen.

Die kleinen Besucher eines Indoor-Spielplatzes sind – wer hätte das gedacht – üblicherweise keine Unternehmer. Es stellt sich daher die Frage, ob in einem solchen Fall Art. 203 MwStSystRL bzw. § 14c Abs. 1 UStG zur Anwendung kommt, da die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer eigentlich nicht zu einem unberechtigten Vorsteuerabzug führen kann. Denn Kinder sind in der Regel nicht vorsteuerabzugsberechtigt.

Das Zauberwort heißt Steuergefährdung

In Deutschland spielt das Merkmal der Steuergefährdung auf der Ebene des Berichtigungsverfahrens eine Rolle. Je nach Fallkonstellation ist dieses unterschiedlich zu beseitigen. Der EuGH hat die Steuergefährdung bereits auf der Ebene der unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer angesprochen. Liegt nämlich keine Gefährdung des Steueraufkommens vor, ist die in der Rechnung falsch ausgewiesene Umsatzsteuer unerheblich. 

Da im vorliegenden Fall die Rechnungsempfänger allesamt keine Unternehmer, sondern Endverbraucher waren, lag bereits keine Steuergefährdung vor. Konkret bestand nie die Gefahr, dass die kleinen Spielplatzbesucher (oder deren Eltern) die Rechnung zum Vorsteuerabzug nutzen. Dementsprechend kommt auch die Sanktionswirkung des Art. 203 MwStSystRL bzw. § 14c Abs. 1 UStG nicht zum Tragen.

Jetzt ist der E-Commerce dran mit Schaukeln!

Nun könnte man sich fragen, was die Umsätze eines Indoor-Spielplatzes mit dem E-Commerce zu tun haben. Nun, die Welt des E-Commerce ist letztlich auch nur ein großer virtueller Spielplatz. Tatsächlich ist der EuGH-Fall vergleichbar mit einer im E-Commerce häufig anzutreffenden Konstellation: Der überwiegende Teil der Umsätze im E-Commerce wird im B2C-Bereich erzielt. Hier werden also auch Umsätze an Endkunden getätigt. 

Oft stellt sich auch hier die Frage, wie mit falsch ausgewiesener Umsatzsteuer umzugehen ist. Insofern könnte die EuGH-Entscheidung das Leben vieler Onlinehändler in Zukunft einfacher machen. Bevor Ihr jetzt aber munter weiter Rechnungen mit falsch ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt, hier noch ein paar Hinweise:

Als leistender Unternehmer tragt Ihr die Beweislast dafür, dass tatsächlich keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt. Falls Ihr nicht gerade einen Indoorspielplatz betreibt oder Hochzeitsredner oder Bestatter seid, kann allein vom Geschäftsmodell her nicht ausgeschlossen werden, dass sich unter den Leistungsempfängern der eine oder andere Unternehmer befindet. Daher solltet Ihr auch zukünftig weiterhin ein Augenmerk auf eine korrekte Ausstellung der Rechnungen legen.

USt-ID könnte besondere Rolle spielen

Gerade im grenzüberschreitenden Onlinehandel kommt der USt-ID eine besondere Rolle zu. Für Unternehmer ist die Angabe einer gültigen USt-ID bei Warenbestellungen im grenzüberschreitenden Handel maßgeblich, um die Transaktion nach B2C- oder B2B-Vorschriften abzugrenzen. Je nach Empfängerstatus liegt dabei entweder ein Fernverkauf (§ 3c Abs. 1 UStG) oder eine innergemeinschaftliche Lieferung vor, die entsprechend unterschiedlich umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Fragt Ihr hierzu aktiv ab, ob der Leistungsempfänger eine USt-ID besitzt, könnt Ihr darauf vertrauen, dass dieser auch wirklich die Wahrheit gesagt hat.

Die Bestimmung der (Nicht-)Unternehmereigenschaft für den Empfängerkreis des § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG, auf den auch die Fernverkaufsregelungen des § 3c UStG verweisen (vgl. § 3c Abs. 1 S. 3 UStG), ist aus Sicht der Finanzverwaltung zulässig. Gemäß Abschn. 3a.9a. Abs. 1 Satz 2 UStAE kann der leistende Unternehmer regelmäßig davon ausgehen, dass ein im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist, wenn dieser dem leistenden Unternehmer keine USt-ID mitgeteilt hat (vgl. Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStVO).

Es ist allerdings unklar, ob der EuGH auch in einem solchen Fall bereits eine mögliche Steuergefährdung verneinen würde, wenn feststeht, dass der Abnehmer mangels Vorlage einer USt-ID ein Nichtunternehmer ist. Gerade für den schnelllebigen und automatisierungsaffinen E-Commerce wäre eine solche Klarstellung mehr als wünschenswert, um hier § 14c-Risiken zu vermeiden.

Offene Fragen nach dem EuGH-Urteil

In der Praxis stieß das Urteil auf große Zusage. Die Beraterschaft ist über jede Klarstellung hinsichtlich des § 14c-Risikos mehr als dankbar. Ob und wie sich das EuGH-Urteil allerdings in der deutschen Umsatzsteuerpraxis und in den grauen Fluren der Finanzverwaltung durchsetzen wird, muss leider erstmal abgewartet werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein EuGH-Urteil ignoriert wird.

Insbesondere für den E-Commerce könnte das hier diskutierte EuGH-Urteil allerdings künftig besondere Bedeutung haben. Allerdings hat sich EuGH hat sich leider nicht dazu geäußert, wie der Beweis zum Ausschluss der Steuergefährdung in der Praxis zu führen ist, wenn nicht per se ausgeschlossen ist, dass auch der ein oder andere Unternehmer unter den Leistungsempfängern ist. Sofern man hier auf die Relevanz der USt-ID abstellen würde, bliebe dann weiterhin fraglich was mit lokalen B2C-Lieferungen ist, bei denen die USt-ID – anders als im grenzüberschreitenden Verkehr – keine besondere Rolle zu kommt.

Es bleibt also auch weiterhin spannend.

Hinweis: Wir haben diesen Artikel zuletzt am 22. Februar 2023 aktualisiert.

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