Ein unterschätztes Risiko: Die Aufzeichnungspflichten im OSS-Verfahren

Der One-Stop-Shop (OSS) als besonderes Besteuerungsverfahren bringt viele Vereinfachungen für den grenzüberschreitenden Onlinehandel mit sich. Diese Vereinfachung muss man sich als Steuerpflichtiger allerdings auch verdienen und einige Pflichten erfüllen. Hierzu gehören unter anderem auch die Aufzeichnungspflichten. Wie diese genau ausgestaltet sind und ab wann diese zum Ausschluss aus dem OSS-Verfahren führen können, erfahrt Ihr in diesem Beitrag.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
Ein unterschätztes Risiko: Die Aufzeichnungspflichten im OSS-Verfahren

Zentrale Umsatzsteuerabwicklung erfordert zusätzliche Daten zur Prüfung durch die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten

Der OSS ermöglicht es Onlinehändlern, dass sie sich in ihrem Sitzstaat für das besondere Besteuerungsverfahren registrieren und ihre Umsatzsteuerpflichten aus grenzüberschreitenden Fernverkäufen in der EU zentral im Sitzstaat deklarieren. 

Auch wenn die Umsatzsteuererklärungen zentral im Sitzstaat abgegeben werden und die Zahllast für alle EU-Länder an den Sitzstaat überwiesen wird, haben die übrigen Mitgliedstaaten ein Interesse daran, die deklarierten Umsätze nachvollziehen zu können. Dies ist nur basierend auf umfangreichen Daten möglich. Daher wurden auf EU-Ebene umfangreiche Aufzeichnungspflichten festgelegt, die jeder Steuerpflichtige erfüllen muss, wenn das OSS-Verfahren genutzt wird.

Die Betonung liegt hier auf dem Wörtchen “muss”. Solltet Ihr diese Vorgabe nicht erfüllen, kann Euch im schlimmsten Fall der Ausschluss vom OSS-Verfahren drohen. Hierzu später mehr. Nun erstmal zu den Daten, die aufgezeichnet werden müssen. 

Aufzuzeichnende Daten bei Nutzung des OSS-Verfahrens

Im § 22 UStG wird man zu den Aufzeichnungspflichten im OSS-Verfahren fündig. 

In einem ersten Schritt ist hier geregelt, wie lange die Daten aufbewahrt werden – und dass sie den Finanzbehörden auf Anfrage elektronisch zur Verfügung gestellt werden müssen. Hier ist der genaue Gesetzeswortlaut (§ 22 Abs. 1 S. 4 UStG):

In den Fällen der §§ 18i, 18j, 18k und 21a sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz oder Geschäftsvorgang bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet für das besondere Besteuerungsverfahren oder für die Sonderregelung zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen.

Aber welche Daten müssen für diesen Zeitraum elektronisch nach den GoBD-Grundsätzen elektronisch aufgezeichnet werden? 

Hierfür müssen wir einen Blick ins EU-Recht – genauer in die Mehrwertsteuerdurchführungsverordnung – werfen, denn die aufzuzeichnenden Daten sind dort geregelt. 

Hinweis: Da es sich um eine Verordnung handelt, handelt es sich hier um direkt geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten.

Die folgenden Daten müssen zwingend pro Transaktion aufgezeichnet werden: 

  • den Bestimmungsmitgliedstaat, in den die Fernverkäufe erfolgten (Mitgliedstaat des Verbrauchs);
  • die Beschreibung und die Menge der gelieferten Gegenstände;
  • das Datum der Lieferung der Gegenstände;
  • die Bemessungsgrundlage unter Angabe der verwendeten Währung;
  • jede anschließende Erhöhung oder Senkung der Bemessungsgrundlage;
  • den anzuwendenden Mehrwertsteuersatz;
  • den Betrag der zu zahlenden Mehrwertsteuer unter Angabe der verwendeten Währung;
  • das Datum und den Betrag der erhaltenen Zahlungen;
  • alle vor Lieferung der Gegenstände erhaltenen Vorauszahlungen;
  • falls eine Rechnung ausgestellt wurde, die darin enthaltenen Informationen; 
  • in Bezug auf Gegenstände, die Informationen, die zur Bestimmung des Ortes verwendet werden, an dem die Versendung oder Beförderung der Gegenstände zum Erwerber beginnt und endet;
  • jegliche Nachweise über etwaige Rücksendungen von Gegenständen, einschließlich der Steuerbemessungsgrundlage und des anzuwendenden Mehrwertsteuersatzes.

Diese Daten müssen für jede Lieferung, also jeden einzelnen im Rahmen eines grenzüberschreitenden B2C-Verkaufs gelieferten Gegenstands, aufgezeichnet werden. 

Das klingt auf den ersten Blick gar nicht so herausfordernd, denn insbesondere die Daten zur Warenbewegung und die Beschreibung und Menge der gelieferten Gegenstände sind in der Regel in jedem ERP- und Shop-System verfügbar. 

Wenn Ihr Euch die Daten aber genauer anschaut, dann wird es insbesondere bei Angaben wie dem Zahlungsdatum oder der erhaltenen Zahlung schwierig. In der Praxis werdet Ihr schnell feststellen, dass das Zahlungsdatum in zahlreichen Systemen oder auch auf Marktplätzen gar nicht vorliegt, sodass es nicht mit den weiteren Transaktionsdaten abgespeichert werden kann. Daher ist es in der Praxis denkbar, dass Daten nicht korrekt oder nur unvollständig aufgezeichnet werden, abhängig von System und Verkaufskanal.

Wie die Daten von den Finanzbehörden auf elektronischem Weg von Euch angefordert werden, könnt Ihr hier lesen.

Wer sich seit Start des OSS noch nicht mit diesen Daten befasst hat oder neu für den OSS registriert ist, der sollte sich schnellstmöglich mit den obenstehenden Daten auseinandersetzen, denn wenn die Daten nicht korrekt aufgezeichnet werden, kann dies fatale Folgen haben. 

Ausschluss aus dem OSS-Verfahren bei unvollständigen oder nicht rechtzeitig bereitgestellten Aufzeichnungen

Der OSS ist ein Privileg zur vereinfachten Umsatzsteuerabwicklung im grenzüberschreitenden E-Commerce. Dieses Privileg kann aber auch wieder entzogen werden. 

Einer der Gründe für den Ausschluss aus dem OSS-Verfahren können die Aufzeichnungspflichten sein, insbesondere wenn die aufgezeichneten Daten den Finanzbehörden nach Anfrage nicht rechtzeitig bereitgestellt werden. 

Dies bedeutet konkret: Wird ein Steuerpflichtiger zur elektronischen Übermittlung der aufgezeichneten Daten durch die Finanzverwaltung aufgefordert und hat die Daten einen Monat nach einer erfolgten Erinnerung durch die Finanzbehörden nicht bereitgestellt, erfolgt ein Ausschluss vom OSS-Verfahren. Der Ausschluss von diesem besonderen Besteuerungsverfahren erfolgt dann für zwei Jahre. 

Fazit

Nach knapp 1,5 Jahren mit dem OSS habt Ihr Euch mit Sicherheit so langsam eingegrooved und empfindet das besondere Besteuerungsverfahren als Vereinfachung. Ihr solltet aber nicht zu entspannt sein – und Euch unbedingt auch damit befassen, welche Pflichten sich hinter dieser Vereinfachungsregelung stecken. Daher ist jetzt der Zeitpunkt, sich mit den Aufzeichnungspflichten zu befassen. Und damit, wie die Daten der Finanzbehörde bei Prüfungen bereitgestellt werden müssen. Ansonsten kann es zu bösen Überraschungen kommen.

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