EuGH zu § 14c UStG: Verlieren falsche Rechnungen im Onlinehandel bald ihren Schrecken?

Falsche Rechnungen sind im grenzüberschreitenden Onlinehandel eher die Regel als die Ausnahme. Der § 14c UStG hat dabei bislang für erhebliche finanzielle Risiken gesorgt. Der EuGH könnte das jetzt beheben.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
EuGH zu § 14c UStG: Verlieren falsche Rechnungen im Onlinehandel bald ihren Schrecken?

Hier gibt es ein Update aus dem Februar 2024.

Eines der größten finanziellen Risiken im Onlinehandel ist die doppelte Zahlung von Umsatzsteuer. Dieses Risiko kann eintreten, wenn z.B. die Finanzbuchhaltung wie in diesem Fall falsch aufgestellt ist oder der berühmt-berüchtigte § 14c UStG zur Anwendung kommt.

Dabei verbreitet insbesondere der §14c UStG im Onlinehandel einigen Schrecken. Das führt sogar dazu, dass Steuerberater ihren Mandanten raten, möglichst keine Rechnungen zu schreiben.

Ein aktuelles Verfahren vor dem EuGH könnte dem 14c im E-Commerce jedoch bald den Schrecken nehmen.

Fangen wir aber von vorne an und erklären die Zusammenhänge Stück für Stück.

§ 14c UStG: Was ist das Problem und das finanzielle Risiko?

Der Grund, warum einige Steuerberater ihren Mandanten im Onlinehandel raten, keine Rechnungen zu schreiben, verdeutlicht das folgende Beispiel:

Anton Meier verkauft über einen Webshop seine Waren grenzüberschreitend an Endverbraucher von Deutschland nach Österreich.

Dabei übersieht er die Neuregelung zum 1.7.2021, wonach fast immer die Umsatzsteuer des Bestimmungslandes abzurechnen ist.

Er rechnet und führt daher fälschlicherweise 19 Prozent deutsche anstelle 20 Prozent österreichische Umsatzsteuer ab.

Seinem Steuerberater fällt das nach einem Jahr auf und er stellt eine Selbstanzeige in Österreich und führt die Umsatzsteuer dort nachträglich ab. Bis dahin hat Anton jedoch schon über 40.000 Rechnungen mit ausgewiesener deutscher Umsatzsteuer ausgestellt.

Um nicht doppelt Umsatzsteuer zahlen zu müssen – in Deutschland UND in Österreich – will er nun die Umsatzsteuer in Deutschland zurückfordern.

Das erweist sich jedoch als herausfordernd, weil das deutsche Finanzamt auf die aktuelle Rechtslage verweist.

Warum erstattet das deutsche Finanzamt nicht ohne Weiteres die fälschlicherweise abgeführte deutsche Umsatzsteuer?

Das hängt damit zusammen, dass der Onlinehändler in diesem Beispielsfall – wie es in der Praxis üblich ist – für jede Lieferung auch eine Rechnung mit ausgewiesener deutscher Umsatzsteuer erstellt hat. Solange diese Rechnungen im Umlauf sind, wird das Finanzamt die Erstattung der deutschen Umsatzsteuer in den meisten Fällen verweigern. Schuld daran ist der § 14c UStG.

§ 14c UStG: Gefährdungstatbestand?

Der § 14c Abs. 1 S. 1 UStG besagt Folgendes.

Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag

Auf unser Beispiel bezogen bedeutet das, dass so lange die 40.000 Rechnungen mit der falschen deutschen Umsatzsteuer im Umlauf sind, diese falsche deutsche Umsatzsteuer zusätzlich zur Umsatzsteuer in Österreich geschuldet wird.

Man spricht dabei von einem sogenannten Gefährdungstatbestand, weil der Rechnungsempfänger sich diese ausgewiesene Umsatzsteuer grundsätzlich als Vorsteuer von seinem Finanzamt erstatten lassen könnte. In diesem Fall wäre dem Fiskus ein Schaden entstanden.

Das bedeutet, Anton Meier muss alle 40.000 Rechnungen korrigieren. Dazu muss er nachweislich alle 40.000 Käufer in Österreich anschreiben. Ein Vorhaben, das in der Praxis niemals zu 100 Prozent Erfolg haben wird.

Jetzt werden viele aufrufen und die folgenden Argumente ins Feld führen.

  • Wenn aber der Rechnungsempfänger eine Privatperson ist, kann doch für den Fiskus gar kein Schaden entstehen!
  • Eine Privatperson hat doch keinen Vorsteuerabzug!
  • Es besteht demnach keine Gefährdung für das Umsatzsteueraufkommen!

Muss Anton Meier trotz dieser Argumente dennoch diesen unmöglich zu erfüllenden Aufwand betreiben?

Aktuelle Gesetzesauslegung durch den BFH

Die aktuelle Auslegung durch das oberste deutsche Finanzgericht – den Bundesfinanzhof – ist eindeutig und zugleich gnadenlos. 2018 haben die BFH-Richter entschieden, dass selbst im Fall eines privaten Endabnehmers eine nachweisliche Rechnungskorrektur unumgänglich ist.

Wir hatten dieses Urteil – das wir für ein Fehlurteil halten – in diesem Artikel diskutiert.

§ 14c UStG: Sichtweise der Finanzverwaltung (bislang)

Leider hat sich auch die deutsche Finanzverwaltung dieser Sichtweise angeschlossen und hat dabei den Onlinehandel besonders in den Fokus genommen.

In Betriebsprüfungen werden solche Fälle häufig aufgegriffen und beruhen auf der Auslegung des o.g. BFH-Urteils.

Nun gibt es aber Hoffnung, denn ein 14c-Fall ist nun vor dem EuGH gelandet.

Verfahren vor dem EuGH und EuGH-Generalanwältin Juliane Kokott bringen Hoffnung

Vor dem EuGH – dem Gericht, das den BFH überstimmen kann – ist aktuell ein Verfahren anhängig, welches das bis hier aufgezeichnete Dilemma im Onlinehandel beenden kann.

Den aktuellen Stand des Verfahrens findet Ihr hier. Die sogenannte Rechtssache C‑378/21 könnte ein großes finanzielles Risiko im Onlinehandel beseitigen.

Noch hat der EuGH nichts entschieden, aber die Generalanwältin des EuGH – Juliane Kokott – hat bereits ihre Empfehlung zur Gesetzesauslegung vorgelegt. Das Fazit daraus lautet wie folgt.

Wenn die Leistungsempfänger der Leistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher sind, schuldet der Aussteller einer Rechnung die Mehrwertsteuer nicht gemäß Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie.

(Hinweis: Artikel 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie entspricht auf nationaler Ebene dem § 14 c UStG).

Da der EuGH in vielen Fällen – nicht immer – den Empfehlungen der Generalanwältin folgt, besteht also Hoffnung, dass sowohl der BFH als auch die deutsche Finanzverwaltung ihre zu drastische Rechtsauslegung bald überdenken müssen.

Fazit

Der Onlinehandel auf Amazon, Shopify und Co. ist noch stark B2C-geprägt. Darüber hinaus sorgt ein komplexes Umsatzsteuerrecht dafür, dass viele ERP-Systeme und Rechnungstools dieses nicht in Gänze oder gar automatisiert abbilden können. Falsche Rechnungen sind im E-Commerce daher eher die Regel als die Ausnahme.

Die nahende Entscheidung – wir halten Euch hier im Blog natürlich auf dem Laufenden – ist daher mit Spannung zu erwarten. Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH der Empfehlung der Generalanwältin folgt und sowohl der BFH als auch die Finanzverwaltung ihre realitätsferne und – zumindest nimmt der Autor das so wahr – gängelnde Rechtsauffassung anpassen müssen.

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