„Wir sehen uns als Maßschneider, nicht als Konfektionär”

Dennis Schümann ist Steuerberater und Geschäftsführer bei der DHW Steuerberatung, die sich auf die digitale Steuerberatung, Buchhaltung und den E-Commerce mit all seinen Facetten spezialisiert hat. „Nebenbei” tourt er für die DATEV durch Deutschland und erklärt den Onlinehandel mit und ohne Amazon. In unserer Reihe „Taxdoo Talks” erzählt Dennis, wie das Onboarding zu einem entspannten Verhältnis zwischen Mandant und Berater beiträgt und welche Eigenschaften für die Betreuung eines Onlinehändlers wichtig sind.
Stephan Mittelhäuser
Stephan Mittelhäuser
  • 5 min. Lesezeit
„Wir sehen uns als Maßschneider, nicht als Konfektionär”

Dennis, welche Fragen sollten vor dem Onboarding eines Mandanten unbedingt geklärt sein?

Die Frage, ob wir mit einem Mandanten zusammenarbeiten wollen, klären wir zunächst im Rahmen eines kostenpflichtigen Neumandatsgesprächs. Während des Gesprächs, das in der Regel von einem Berufsträger oder einem spezialisierten E-Commerce Accountant durchgeführt wird, gehen wir einen dezidierten Fragenkatalog durch. Hier werden Wünsche und Erwartungshaltungen ausgetauscht. Natürlich dient das Gespräch auch dazu, herauszufinden, ob Kanzlei und Mandant zusammenpassen und dieselbe Sprache sprechen. Ohne aktives Mitwirken des Mandanten von Beginn an und die Bereitschaft, eventuell anfallende Zusatzkosten für Tools in die Hand zu nehmen, ist das Vorhaben in der Regel zum Scheitern verurteilt. Am Ende des Gesprächs entscheiden beide Seiten, ob eine Zusammenarbeit Sinn macht. Da wir eine transparente Preisstruktur und ein Mindesthonorar haben, prüfen wir natürlich auch, ob sich die Zusammenarbeit für den Mandanten überhaupt rechnet. In Fällen, in denen sich das nicht rechnet, geben wir meist Hilfe zur Selbsthilfe. Zum Beispiel, indem wir Gründern einen Weg aufweisen, wie man sich durch die erste Zeit als Unternehmer „compliant” bewegen kann. 

Wie lange dauert der Onboarding-Prozess? Nach welchem Muster läuft der Prozess ab?

Das kann man pauschal gar nicht beantworten. Natürlich gibt es einen Standard-Entscheidungsbaum, den wir mit dem Mandanten durchgehen. Dass uns ein Existenzgründer über den Weg läuft, mit dem wir von Beginn an alle Abläufe und Schnittstellen aufsetzen können, ist leider die Ausnahme. In der Regel müssen wir auf existierenden Prozessen und Strukturen aufsetzen. Das reicht von der Excel-Gewinnermittlung über den Selbstbucher bis hin zur Holdingstruktur mit der Mutter in einem EU-Mitgliedstaat. Im E-Commerce gibt es die unterschiedlichsten Business-Modelle. Und genau das macht unseren Beruf ja so spannend! Am Ende haben wir es jedoch immer mit Steuerpflichtigen zu tun, deren Anliegen und Wünsche wir erkennen und umsetzen müssen. Wichtig ist dabei, zunächst den Ist-Zustand beim Mandanten herauszuarbeiten. Dazu fragen wir zum Beispiel nach dem rechnungsschreibenden System, steuerlichen Registrierungen oder genutzten Lagern. Auf diese Weise erhalten wir ein Gerüst, das dann auf das jeweilige Mandat angepasst wird. Wir sehen uns als Maßschneider, nicht als Konfektionär.  

Wie sieht die Arbeitsteilung zwischen Steuerkanzlei und Mandant aus?

Ohne eine regelmäßige Kommunikation zwischen Kanzlei und Mandant lassen sich die Workflows nicht optimieren. Außerdem sollte man feste Due-Dates vereinbaren, damit man als Kanzlei entsprechend planen kann. Gerade der „Follow the money”-Bereich ist immer eine Herausforderung. Die Erlösverbuchung läuft bei richtigem Aufsetzen und einer Plausibilitätskontrolle zu Beginn des Mandats in der Regel sehr gut. Trotzdem kann schnell mal was doppelt angebunden sein, daher sollte der Mandant zumindest immer die Erlöse gegenchecken. Die meisten Onlinehändler haben ihre Sellerboards, um das zu tracken. Da hinkt die „Oldschool-BWA” leider immer etwas hinterher. Informationen zu Warenbeständen oder Lieferkonditionen, um Anzahlungen richtig zu verbuchen, sind ebenfalls hilfreich. In regelmäßigen Meetings können genau diese Fragen geklärt werden. Je besser man seinen Mandanten kennt, desto einfacher wird die Sache.  

Welche Informationen sind erforderlich, um ein Bild über den Datenfluss beim Mandanten zu erhalten?

In der Regel reicht hierfür ein Blick in die Buchhaltung. Die Informationen aus dem Erstgespräch in Kombination mit dem im Onboarding herausgearbeiteten Setup bilden die Grundlage für die Beratung. Je nach Tool hilft natürlich auch das Dashboard weiter. Dort ist hinterlegt, was wie angebunden ist und wo die Daten herkommen. 

Das Setup eines Onlinehändlers kann sich schnell ändern. Wie stellt man nach dem Onboarding sicher, dass die Daten weiter ordnungsgemäß in die Finanzbuchhaltung „fließen“? 

Ganz einfach: Wir sprechen regelmäßig miteinander. Und weisen unsere Mandanten darauf hin, dass ihre Weitsicht und Eigeninitiative Geld und Nerven spart. Es ist wichtig, dass unsere Mitarbeitenden das „Ohr auf der Schiene“ haben, um Potentiale und Risiken rechtzeitig zu entdecken. Je später Änderungen im Setup auffallen, desto aufwendiger ist die Aufarbeitung. Generell ist es immer besser, wenn Mandanten uns ihre Pläne rechtzeitig mitteilen. Nur dann können wir auch entsprechend beraten und gestalten. Erfolgt der Anruf des Mandanten erst auf dem Weg zum Notar oder nach der Auswanderung, ist dies etwas schwierig – auch wenn ich Abwehrberatung als eine Art Hobby von mir bezeichne. Jeder Mandant hat mit einem Berufsträger unserer Kanzlei zumindest immer ein Jahresabschlussgespräch, in dem natürlich einiges aufgefangen werden kann. Das Gespräch ersetzt jedoch nicht die regelmäßige Kommunikation.

Unterscheiden sich Onlineshop-, Amazon- oder Multichannelhändler im Onboarding und in der Mandatsbeziehung?

Im Onboarding unterscheiden sich die Mandanten in der Regel eher nicht. Amazon-Only-Händler verspüren natürlich einen anderen Druck, was die Honorare angeht, da ein guter Teil ihrer Marge an Amazon geht. Multichannelhändler sind in der Betreuung aufwendiger, da es die „eierlegende Wollmilchsau” im Bereich der Tools nicht gibt, auch wenn gern etwas anderes behauptet wird.

Was gilt es ansonsten in der Mandatsbetreuung zu beachten? Welche Kompetenzen sollte ein Sachbearbeiter haben, der für die Buchhaltung eines Onlinehändlers zuständig ist? 

Natürlich sollte man bereits eine Ausbildung im steuerlichen Bereich absolviert haben. Zudem sind ein gewisses Prozessverständnis sowie technische Affinität von Vorteil, damit man von der Masse an Daten im E-Commerce nicht erschlagen wird. Dazu noch Neugier und Motivation, alles andere ist erlernbar. Ich denke, letztlich ist ein Dreiklang aus konzentriertem Arbeiten, Mitdenken und Kommunikation enorm hilfreich. Mit Blick auf das schnelle Tempo im E-Commerce sollte man sich zum Beispiel nicht damit zufriedengeben, eine formvollendete Frage, die am Ende kein Mensch versteht, an den Mandanten zu schicken. Entscheidend ist die Begeisterung, in Antworten und Lösungen zu denken. 

2 Kommentare

    Die digitale Steuerberatung ist vermutlich besonders in der letzten Zeit sehr populär geworden. Was gehört denn alles zu einer digitalen Steuerberatung? Ich kann mir noch nicht so viel darunter vorstellen. https://www.steuerberater-blueher.de/

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