OSS-Mahnungen nehmen zu, weil die Digitalisierung des Steuerrechts und der Finanzbehörden stockt
OSS-Mahnungen: Wer Mandanten im Onlinehandel betreut, kennt das. Die OSS-Meldungen wurden sauber erstellt, nochmals mit den Rohdaten aus Amazon, Shopify & Co. verprobt (Macht Ihr das auch regelmäßig!?) und anschließend manuell im BOP-Portal hochgeladen. Die Zahlung der Umsatzsteuer erfolgte auch fristgerecht. Dann – teilweise ein oder zwei Jahre später – erhält man eine kryptische Mahnung von den Finanzbehörden aus Spanien, Finnland, Frankreich, … mit dem Hinweis, dass die OSS-Umsatzsteuer dort nicht eingegangen sei und dass man doch bitte diese direkt auf ein spanisches, finnisches, französisches Konto überweisen solle.
Sind die OSS-Mahnungen echt, oder Scam?
Wer versucht, die Echtheit dieser Mails zu verifizieren, der landet entweder im Taxdoo-Blog oder auf der Seite des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt), das in Deutschland für die OSS-Meldungen verantwortlich ist.
Dort heißt es wortwörtlich.
Zahlreiche Unternehmer, die am Verfahren One-Stop-Shop, EU-Regelung teilnehmen, haben aktuell Zahlungserinnerungen für das 3. Quartal 2021 von anderen EU-Mitgliedstaaten erhalten. Um ein derartiges Szenario zu vermeiden, wurden die Mitgliedstaaten bereits frühzeitig darüber informiert, dass die für sie vorliegenden Zahlungen erst mit zeitlicher Verzögerung weitergeleitet werden. Offenbar haben aber nicht alle Mitgliedstaaten ihre automatisierten Mahnläufe ausgesetzt.
Sollten Sie auch eine Zahlungserinnerung von einem anderen Mitgliedstaat erhalten haben, prüfen Sie bitte zunächst, ob Sie die erklärten Steuern für das betreffende Quartal vollständig an die Bundeskasse Trier gezahlt haben. Wenn dies der Fall ist, empfiehlt es sich, dem Mitgliedstaat auf die Erinnerung hin zu antworten, dass die Steuerzahlung bereits an Deutschland geleistet wurde.
Es ist in der Regel nicht erforderlich, das Bundeszentralamt für Steuern über die erhaltene Zahlungserinnerung zu informieren.
OSS-Mahnungen: zeitliche Verzögerung?
Was auf der Seite des BZSt als zeitliche Verzögerung bei der Weiterleitung der Zahlung aus Deutschland in die zuständigen EU-Staaten bezeichnet wird, ist am Ende ein gewaltiges strukturelles Problem.
Anmerkung für Sprach-Ästheten: Der Begriff Verzögerung beinhaltet bereits die Komponente zeitlich. Da es sich aber um den O-Ton aus dem BZSt handelt, haben wir es dabei belassen, auch wenn jede Sprachprüfung hier sofort ausschlägt. Zudem wächst die Verzögerung auch stetig an, sodass eine gewisse Redundanz hier nicht schaden kann.
Deutschland verfügt aktuell nicht über die erforderlichen Ressourcen, um der Digitalisierung des Steuerrechts gerecht zu werden. Bereits Mitte 2022 hatte der Bundesrechnungshof (BRH) moniert, dass beim BZSt ca. 4 Milliarden Euro OSS-Umsatzsteuer in der Luft hängen, weil bei der Bonner Behörde die OSS-Meldungen und die eingehenden Zahlungen manuell miteinander gemappt werden müssen.
Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum wir nicht wie geplant 2025 die nächste große Umsatzsteuerreform – VAT in the Digital Age (ViDA) – sehen werden. Es fehlt aufseiten der Finanzbehörden schlicht an den Möglichkeiten, den OSS zur angedachten und vollumfänglichen Compliance-Plattform auszubauen.
Was ist jetzt zu tun?
Ihr bzw. Eure Mandanten erhaltet OSS-Mahnungen aus dem EU-Ausland und fragt Euch, wie Ihr dabei verfahren sollt. Ganz einfach: Wenn Ihr nachweislich die Umsatzsteuer fristgerecht an das BZSt angeführt habt, genügt ein Zweizeiler an die anfragende Behörde im Ausland (in der Regel auf Englisch), dass die Zahlung an das BZSt erfolgt ist. Ihr hängt dann noch den Zahlungsnachweis dran und seid damit auf der weitgehend sicheren Seite.
Hinweis zu fristgerecht: Die Fristen für Eure-Meldungen findet Ihr hier. Beachtet dabei bitte, dass die Zahlungen bis zu diesen Fristen im EU-Ausland eingegangen sein müssen. Daher empfehlen wir, die Meldungen und Zahlungen mindestens fünf Werktage vor Fristende einzureichen.
Armutszeugnis für den Technologiestandort Deutschland
Es ist einfach, auf jemanden einzutreten, dem gefühlt gerade nicht viel gelingt. Ich will daher an dieser Stelle nicht auf die Politik, das BMF, das BZSt, … einhauen. Ich will aber an dieser Stelle eines anmerken.
Wir feiern gerade die E-Rechnung in Deutschland. Doch mit einem guten Gesetz alleine ist es nicht getan. Die Finanzverwaltung wird zunehmend abgehängt. Es fehlt an Technologie und es fehlt an klugen, kompetenten und tech-affinen Finanzbeamten auf den Entscheidungsebenen, die auch mal auf den Tisch hauen müssen, wenn man Ihnen das Budget dermaßen zusammenstreicht, dass zum Beispiel der OSS weit von dem entfernt ist, was er eigentlich mit sich bringen soll: Sicherheit und Compliance als Grundlage für ein digitalisiertes Steuerrecht.
Dr. Roger Gothmann
Hier geht es zu einer Diskussion auf LinkedIn mit betroffenen Unternehmen und Steuerkanzleien: https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7181208232705568768/