Die Katze ist aus dem Sack: Kommission veröffentlicht VIDA-Richtlinienentwurf

They finally did it! Die EU Kommission hat ihren Richtlinienentwurf für die Initiative VAT in the Digital Age (VIDA) präsentiert. Mit der kurzfristigen Verschiebung um 3 Wochen hatte die Kommission zuletzt die Spannung in der Umsatzsteuerwelt noch einmal angefacht.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 4 min. Lesezeit
Die Katze ist aus dem Sack: Kommission veröffentlicht VIDA-Richtlinienentwurf

Heute hat die Kommission den lang erwarteten VIDA-Richtlinienentwurf veröffentlicht. Hier eine erste Kurzanalyse: 

EU-weites Digital Reporting System

Eingeführt werden soll ein Real-time Digital Reporting auf Grundlage des E-Invoicing. Die Umstellung auf elektronische Rechnungsstellung soll dazu beitragen, den Mehrwertsteuerbetrug in der EU um bis zu 11 Milliarden Euro pro Jahr zu verringern und die Verwaltungs- und Befolgungskosten für die Wirtschaftsbeteiligten in den kommenden zehn Jahren um über 4 Milliarden Euro pro Jahr zu senken. 

Konkret sieht das Proposal die Einrichtung eines EU-weiten Meldesystems für grenzüberschreitende B2B Transaktionen vor, das die Zusammenfassende Meldung (ZM) ersetzt. 

Im Vergleich zur ZM hier die wesentlichen Änderungen: 

  • Ein zeitnahes Reporting, das heißt nach 2 Tagen, nachdem die Rechnung ausgestellt wurde oder die Lieferung / Leistung ausgeführt wurde, muss die Meldung erfolgen. Damit verkürzt sich auch die Frist zur Ausstellung von Rechnungen im Fall von innergemeinschaftlichen Lieferungen sowie Leistungen, bei denen Reverse Charge anwendbar ist, von 45 auf 2 Tage! 
  • Das künftige Meldesystem basiert auf E-Invoices, um den Reporting Prozess zu automatisieren. In diesem Zusammenhang werden die Rechnungsinhalte um folgende Bestandteile erweitert: Bankkonto, vereinbarte Zahlungen und Datum der Zahlung(en); bei Rechnungskorrekturen kommt die Referenz zur ursprünglichen Rechnung hinzu.
  • Die Übermittlung kann gemäß EU-Standard erfolgen. Mitgliedstaaten dürfen auch ein anderes Format wählen, solange sie auch den EU-Standard anbieten.
  • Die große Frage: Was passiert mit den (fragmentierten) nationalen Meldesystemen? Diese müssen bis 2028 an das harmonisierte Meldesystem angepasst werden!

Lokale Registrierungen sollen überflüssig werden

Eine Erweiterung des bestehenden One-Stop-Shops (OSS) und eine Ausweitung der Übertragung von Steuerpflichten auf Marktplatzbetreiber soll es den Händlern künftig ermöglichen, sich nur einmal für Mehrwertsteuerzwecke in der gesamten EU registrieren zu lassen. Lokale Registrierungen wären dann größtenteils überflüssig. 

Die Vermeidung von lokalen Registrierungen soll insbesondere durch die Ausweitung der sogenannten Lieferkettenfiktion beim Verkauf über elektronische Marktplätze erreicht werden. Die Lieferkettenfiktion würde dann nicht mehr nur für Transaktionen mit Drittlandsbezug greifen, sondern für alle Lieferungen über elektronische Marktplätze in der EU, und zwar unabhängig von der Ansässigkeit des Unternehmers und des Status des Leistungsempfängers. 

Auch Umlagerungen, die zwischen verschiedenen Warenlagern im EU-Ausland im Zusammenhang mit Marktplatzverkäufen stattfinden, würden künftig durch den Marktplatzbetreiber deklariert werden müssen. Im Ergebnis würden keine Registrierungsverpflichtungen mehr im Ausland für die Nutzung von grenzüberschreitenden Fulfillmentstrukturen bestehen.

Doch grenzüberschreitende Verbringungen von eigenen Waren können nicht nur im Zusammenhang mit den im E-Commerce geläufigen grenzüberschreitenden Fulfillmentstrukturen vorkommen. Auch sonstige innergemeinschaftliche Verbringungen – unabhängig von Marktplatzverkäufen – werden im Entwurf berücksichtigt. Auch diese Transaktionen würden im erweiterten OSS-Verfahren gemeldet werden können, sodass auch hier die Notwendigkeit einer lokalen Registrierung entfällt. 

Laut Schätzung der Kommission würde dieser Schritt den Unternehmen in der EU, insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen, über einen Zeitraum von zehn Jahren rund 8,7 Milliarden Euro an Registrierungs- und Verwaltungskosten ersparen. 

Geltendes Recht digitalisieren und bestehende Lücke schließen

Der VIDA-Richtlinienentwurf unterliegt dem üblichen Gesetzgebungsverfahren und muss vom Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament verabschiedet werden.

Die entscheidende Frage bleibt, wie schnell sich die Mitgliedstaaten auf das Proposal einigen. Patrice Pillet, Referatsleiter Mehrwertsteuer der Generaldirektion Steuern und Zollunion (TAXUD) der Europäischen Kommission, äußerte sich auf einer gestrigen Konferenz der European Tax Adviser Federation (ETAF) in Brüssel zuversichtlich. Die Mitgliedstaaten seien beim Proposal sehr eng eingebunden gewesen. Daher erwarte er keine Blockade, sondern eine schnelle Einigung, betonte Pillet.   

Mit der VIDA-Initiative sind große Hoffnungen verbunden. Ziel ist es, das geltende Mehrwertsteuerrecht vor dem Hintergrund möglicher Anwendung digitaler Technologien zu modernisieren, die Kosten der steuerlichen Pflichten für Unternehmen zu senken sowie den Mehrwertsteuerbetrug in der EU wirksamer zu bekämpfen. 

Passend dazu veröffentlichte die Kommission heute ihren aktuellen Bericht zur Mehrwertsteuerlücke – die Differenz zwischen den erwarteten und den tatsächlich eingezogenen Mehrwertsteuereinnahmen in den Mitgliedstaaten. Laut Bericht entgingen den EU-Ländern allein im Jahr 2020 Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von rund 93 Milliarden Euro. 

In Kürze werden wir Euch mit weiteren Analysen zu den einzelnen VIDA-Aspekten informieren. Behaltet also unseren Blog im Auge!

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