Buchhaltung versus Umsatzsteuer im Onlinehandel? Eine gemeinsame Sprache – Teil 1: Erlöse!

Buchhaltung versus Umsatzsteuer? Diese alte Dauerfehde muss nicht sein. Wir zeigen euch eine Sprache, mit der sich beide Seiten verstehen und jeden Betriebsprüfer sprachlos machen.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 6 min. Lesezeit
Buchhaltung versus Umsatzsteuer im Onlinehandel? Eine gemeinsame Sprache – Teil 1: Erlöse!

Umsatzsteuer-Experten sind egozentrische Snobs. Spezialisten für Buchhaltung haben keine Ahnung von Umsatzsteuer.

Das sind ungefähr die Stereotypen, mit denen sich beide Seiten (Umsatzsteuer versus Buchhaltung) seit Jahren begegnen. In vielen Konzernen mit getrennten Abteilungen wird das immer noch so gelebt und führt regelmäßig zu Kontrollverlusten für beide Seiten.

In diesem Beitrag wollen wir zeigen, wie wertvoll es ist, wenn sich Umsatzsteuer & Buchhaltung vertrauen und eine gemeinsame Sprache gefunden haben, die man innerhalb weniger Minuten lernen kann – zumindest im Onlinehandel. Versprochen!

Fangen wir aber mit den Missverständnissen an und schauen uns dann die Sprache an, mit der jeder innerhalb weniger Minuten jede beliebige Transaktion im E-Commerce steuerlich richtig interpretieren kann.

Berührungsängste und ihre Hintergründe

Auf der Abendveranstaltung des Taxdoo Innovation Summits 2023 erzählte mir ein FiBu-Experte aus einer Partnerkanzlei, dass Umsatzsteuer ihm bei der laufenden Buchhaltung am meisten Spaß bereitet.

Ehrlicherweise wird das nicht jeder von sich behaupten. Ich verstehe diese Berührungsängste. Wie immer stellt sich die Frage, wenn sich zwei Seiten per se blöd finden: Sprecht Ihr dann überhaupt regelmäßig miteinander oder sitzt nur jeder in seiner Ecke und macht sein Ding?

Schauen wir uns einmal die Wurzel der Probleme an und diskutieren anschließend Lösungen.

Umsatzsteuer und Buchhaltung im Onlinehandel: Beides sind hochkomplexe Felder, mit eigenen Experten

Wer diesem Blog regelmäßig folgt, der weiß, dass es im Onlinehandel zahlreiche umsatzsteuerliche Konstellationen gibt, die vor wenigen Jahren nur Gesprächsthema in Konzernsteuerabteilungen waren. Das beginnt bei den innergemeinschaftlichen Verbringungen und hört nicht bei Amazons Commingling-Transaktionen auf.
Nicht minder komplex ist es, diese Transaktionen in der Finanzbuchhaltung auf den verschiedensten Konten abzubilden und sicherzustellen, dass dabei nicht auch nur eine Transaktion hinten herunterfällt.

Ausgangspunkt ist die automatisierte umsatzsteuerliche Bewertung jeder Transaktion. Insbesondere bei Mandaten mit grenzüberschreitenden Umsätzen ist das unumgänglich, denn wer hat die Ressourcen in der Kanzlei, jeden Monat 1.000, 10.000 oder gar. 100.000 Transaktionen manuell zu beurteilen – pro Mandat?!
Das ist erstmal eine gute Nachricht, denn sie bedeutet, dass man das Wissen dieser Umsatzsteuer-Snobs in die Maschinen transferieren und damit für wirklich jeden zugänglich machen kann.

An dieser Stelle fragt Ihr Euch: Wieso zugänglich? Was soll ich damit wie anfangen?

Stellt Euch vor, Ihr seid Unternehmer oder FiBu-Experte in einer Steuerkanzlei. Jetzt passieren regelmäßig zwei Dinge.

  1. Ein Umsatzsteuer-Sonderprüfer oder Betriebsprüfer schaut vorbei und möchte von Euch wissen, was sich hinter diesen und jeden Transaktionen verbirgt – erst recht bei den Transaktionen, bei denen ihr KEINE deutsche Umsatzsteuer abgeführt habt.
  2. Ihr hinterfragt regelmäßig – z.B. auf Basis von Stichproben – die Daten, die Euch automatisierte USt-FiBu-Lösungen wie Taxdoo & Co. automatisiert in die Buchhaltung schicken, denn ihr wisst, dass jeder automatisierter Prozess einer regelmäßigen Kontrolle bedarf.

Jetzt habt ihr euch mit Sicherheit in mindestens einem der Fälle wiedergefunden. Nun wird er ernst. Es gibt jetzt Transaktionen, die euch der Betriebsprüfer unter die Nase reibt und die er nicht versteht (oder nicht verstehen will).

Wie erklärt ihr ihm ausgehend von der Buchhaltung den Sachverhalt bzw. die umsatzsteuerliche Problematik dahinter? Ganz einfach!

Umsatzsteuer und Buchhaltung: Eine gemeinsame Sprache!

Im E-Commerce erzählt jede Transaktion eine eigene Geschichte, die nicht selten in einem Land beginnt und in einem anderen Land endet.

Unser Betriebsprüfer hat sich zwei Transaktionen herausgesucht, bei denen er von euch mehr wissen will. Ihr seht sie hier in der folgenden Grafik.

Egal, ob es ich jetzt um Einzeltransaktionen handelt – oder um Sammelbuchungen ( = Einzeltransaktionen, die die gleiche Geschichte erzählen): Ihr müsst nur diese einfache und intuitive Sprache verstehen und könnt selbst einem Umsatzsteuer-Sonderprüfer mit 30 Jahren Prüfungserfahrung selbstsicher und ruhig erklären, welcher Sachverhalt und welche umsatzsteuerliche Bewertung in dieser Transaktion steckt.

Das Geheimnis – oder besser: unsere intuitive FiBu-USt-Sprache – steckt im Buchungstext (jeder Transaktion).

Der Buchungstext der ersten Transaktion lautet.

  • SALE_FR_DE_EUR_DE_19.00_B2C (lesen wir das Ganze einmal von links nach rechts)
  • SALE: Es handelt sich um einen Erlös (also umsatzsteuerlich um eine Lieferung)
  • FR: Der Beginn dieser Lieferung war in Frankreich (FR)
  • DE: Von Frankreich ging diese Lieferung nach Deutschland (DE)
  • EUR: Abgerechnet wurde diese Transaktion in Euro (EUR), was hier auch nicht sonderlich überrascht.
  • DE: Warum jetzt wider DE? Ganz einfach: Der Ort der Lieferung liegt in Deutschland (DE)
  • 19.00: Daher sollte der Steuersatz auch 19 Prozent (19.00) betragen
  • B2C: Der Empfänger der Lieferung ist ein Endverbraucher (B2C)

Für alle, die wie ich, sich das Ganze nochmals bildlich vorstellen müssen, kommt die Auflösung hier.

Damit sich unsere neue Sprache schnell festigt, schauen wir uns gleich die zweite Transaktion, bei der der Betriebsprüfer noch die Hoffnung auf ein Mehrergebnis hat, denn er versteht nicht, warum da am Ende 20 Prozent Umsatzsteuer entsteht.

Der Buchungstext der zweiten Transaktion lautet.

  • SALE_DE_FR_EUR_FR_20.00_B2C (lesen wir das Ganze wieder von links nach rechts)
  • SALE: Es handelt sich um einen Erlös (also umsatzsteuerlich um eine Lieferung)
  • DE: Der Beginn dieser Lieferung war in Deutschland (DE), unser Betriebsprüfer wittert Morgenluft
  • FR: Von Deutschland ging diese Lieferung nach Frankreich (FR), unser Betriebsprüfer ist immer noch guter Dinge
  • EUR: Abgerechnet wurde diese Transaktion in Euro (EUR), was auch hier wieder nicht sonderlich überrascht.
  • FR: Warum jetzt nochmal FR (fragt sich nicht nur der Betriebsprüfer)? Ganz einfach: Der Ort der Lieferung liegt in Frankreich (FR), da die Umsatzschwelle von 10.000 Euro überschritten wurde
  • 20.00: Daher sollte der Steuersatz auch 20 Prozent (20.00) französischer Umsatzsteuer entsprechen
  • B2C: Der Empfänger der Lieferung ist ein Endverbraucher (B2C)

Die grafische Auflösung folgt hier.

Und, haben wir zu viel versprochen? Der Betriebsprüfer hat sich unmittelbar nach dieser Erklärung das Mehrergebnis für diese Transaktion abgeschrieben. Ihr konntet ihm zudem – umsatzsteuerlich sauber subsumiert – die steuerliche Beurteilung dieser Transaktionen nahebringen. Das habt ihr unmittelbar aus der Buchhaltung heraus gemacht; ohne in die Kontenkonfigurationen zu schauen und ggf. noch in einzelne Belege. Diese Blöße habt ihr euch nicht gegeben, denn ihr versteht Umsatzsteuer & FiBu!

Im nächsten Teil dieser Serie schauen wir uns eine andere Transaktionsart an. Bleibt am Ball!

Gewinnspiel! Wer hat es verstanden?

Die ersten drei, die den folgenden Buchungstext richtig interpretieren, bekommen von uns eine Überraschung in die Steuerkanzlei geschickt. Also, los geht es: SALE_PL_DE_EUR_DE_07.00_B2C.

Ihr schreibt die Lösung einfach in die Kommentare und wir melden uns bei euch.

6 Kommentare

    SALE_PL_DE_EUR_DE_07.00_B2C (lesen wir das Ganze wieder von links nach rechts)
    SALE: Es handelt sich um einen Erlös (also umsatzsteuerlich um eine Lieferung)
    PL: Der Beginn dieser Lieferung war in Polen (PL),
    DE: Von Polen ging diese Lieferung nach Deutschland (DE),
    EUR: Abgerechnet wurde diese Transaktion in Euro (EUR),
    DE: Der Ort der Lieferung liegt in Deutschland (DE), da die Umsatzschwelle von 10.000 Euro überschritten wurde
    07.00: Daher sollte der ermäßigte Steuersatz auch 7 Prozent (07.00) deutscher Umsatzsteuer entsprechen
    B2C: Der Empfänger der Lieferung ist ein Endverbraucher (B2C)

    Sauberer kann man das nicht subsumieren! Klasse! Wir melden uns. Liebe Grüße, Roger

    SALE_PL_DE_EUR_DE_07.00_B2C
    Erlös auf Warenverkauf. Beginn der Lieferung in Polen, Ende in Deutschland. Abgerechnet wurde in Euro. Versteuert wird in Deutschland, da Lieferschwelle überschritten. Mit 7 % ermäßigter, deutscher Umsatzsteuer an eine Privatperson (B2C)

    Ich rate mal: Verkauf von Polen nach Deutschland, Währung ist EUR, Ort der Lieferung ist Deutschland, da die Umsatzschwelle überschritten wurde, der Steuersatz ist 7 % das z.B. Lebensmittel oder ein anderer Artikel geliefert wurde de unter § 12 Abs. 2 UStG fällt. Die Lieferung erfolgte an eine Privatperson.

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