Neue Amazon-Rücklagenrichtlinie kann 2024 zu Cashflow-Problemen führen

Es gab reichlich Kritik; dennoch führt Amazon 2024 eine einheitliche Rücklagenrichtlinie für alle Händler ein. Das kann zu Problemen beim Cashflow führen.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
Neue Amazon-Rücklagenrichtlinie kann 2024 zu Cashflow-Problemen führen

Die Dekade des (ultra)billigen Geldes ist definitiv vorbei. Das spüren nicht nur diejenigen, die sich gerade um Fremdkapital bemühen; sei es für den Kauf einer Immobilie oder die Einrichtung bzw. den Ausbau einer Kreditlinie. Die Zinsen steigen und Liquidität wird nicht mehr abgestraft: im Gegenteil. Auch Amazon-Händler haben in den vergangenen Tagen Post aus Luxemburg bekommen, in denen Amazon ankündigt, die Rücklagenrichtlinie zulasten der Händler anzupassen. Für ältere Amazon-Accounts wird das zu einigen Herausforderungen führen.

Schauen wir uns das Ganze einmal Schritt für Schritt an.

Amazon vereinheitlicht seine Rücklagenrichtlinie

Händler, die einen Amazon-Account besitzen, der vor dem 1.9.2016 eingerichtet wurde, erhielten kürzlich die folgende Nachricht, die damit eingeleitet wurde, dass das Umstellungsdatum für die neue Rücklagenrichtlinie nach etwas Protest verschoben wurde: auf den 1.2.2024.

Rücklagen? Was hat es damit auf sich?

Amazons Rücklagenrichtlinie: Rücklagen wofür eigentlich?

Rücksendungen und/oder Reklamationen gehören zum Onlinehandel wie der Feierabend um 12:30 Uhr an einem Freitag im Finanzamt.

Wer als Privatperson schon einmal Ware an Amazon retourniert hat, ist vermutlich jedes Mal positiv überrascht, wie schnell und unkompliziert das Geld wieder auf dem Konto landet. Teilweise erfolgt das, kurz nachdem die Ware in einer der vielen Amazon-Postboxen eingelegt wurde. (Was für eine Kundenorientierung und was für klasse Prozesse dahinter stecken!)

Ein kleiner (nicht-)steuerlicher Exkurs: Viele Unternehmen haben eine Vision bzw. Ambition. Ich sehe das auch immer häufiger in Steuerkanzleien, denn in einem Umfeld, in dem Mitarbeiter die mit Abstand knappste Ressource sind, ist intrinsische Motivation zugleich das stärkste Argument.
Wenige leben das dann aber so konsequent wie Amazon. Die Rücklagenrichtlinie ist ein Teil davon, denn sie steht für Amazons Ambition, das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein. Diese Kunden wollen ihre Produkte so schnell wie möglich erhalten, aber natürlich auch das Geld ebenso schnell zurück, wenn die Ware retourniert wird.

Steckt hinter einem Verkauf nicht Amazon selbst, sondern ein Amazon-Händler, will Amazon natürlich dafür nicht das eigene Working Capital einsetzen, sondern greift in die Liquidität der Händler. Das wäre jedoch umständlich, wenn sich der Händler unmittelbar nach jedem Verkauf seinen Erlös auszahlen lassen könnte. Aus diesem Grund konnte bei neuen Amazon-Accounts das Geld auf dem Amazon-Konto noch nie täglich abgerufen werden, so wie es bei den Accounts mit Geburtsstunde vor dem 1.9.2016 bislang noch möglich ist.

Amazon erläutert das wie folgt.

Wie sieht die neue einheitliche Rücklagenrichtlinie ab 2024 konkret aus?

Die Systematik der neuen Rücklagenrichtlinie ist ziemlich einfach und sie stellt auf das Lieferdatum bzw. den Liefertag ab.

  • Ab dem 1.2.2024 sind Erlöse aus Verkäufen sieben Tage nach dem Liefertag zur Auszahlung verfügbar.
  • Mit Liefertag ist der Tag gemeint, an dem die Ware (voraussichtlich) zugestellt wird.
  • Erfolgt der Versand z.B. am 1. April und liegt der Liefertermin auf dem 4. April, dann
  • kann der Erlös abzüglich der Gebühren am 12. April ausgezahlt werden – bzw. die Auszahlung durch den Händler angestoßen werden.

Amazon erklärt das folgendermaßen.

Was sind die Herausforderungen der einheitlichen Rücklagenrichtlinie? Cash is (wieder) King!

Ältere Accounts, die ihre Erlöse bislang täglich oder mehrfach wöchentlich abrufen konnten, müssen mit einem Liquiditätsengpass zum 1.2.2024 (also dem Zeitpunkt der Umstellung) rechnen. Darauf weist auch Amazon hin.

Da ein Widerspruch hier aussichtslos sein wird, sollten betroffene Händler sich frühzeitig darauf einstellen und für zusätzliche Liquidität Anfang 2024 vorsorgen. Sollte das nicht möglich sein, da Banken zunehmend restriktiver sind bei der Fremdkapitalvergabe, bleibt diesen Händlern nichts anderes übrig, als den Bedarf an Liquidität entsprechend herunterzufahren.

Idealerweise erfolgt das in enger Abstimmung mit dem Steuerberater: proaktiv und datenbasiert.

Genau das ist Teil der Taxdoo-Ambition: Wir arbeiten mit Passion daran, der Gold Standard für Steuern, Buchhaltung und Technologie im E-Commerce zu werden. Dafür werden wir bald zahlreiche neue Funktionen in der Buchhaltung und ein komplett neues Dashboard launchen, um Steuerkanzleien, die Bock auf E-Commerce haben, die besten Werkzeuge dafür an die Hand zu geben.

Mit Taxdoo eine saubere und transparente Amazon-Buchhaltung aufsetzen


Die oben genannten Ausführungen verdeutlichen, wie wichtig eine saubere und transparente Buchhaltung ist. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt für viele datenbasierte strategische Entscheidungen. Daher haben wir in den vergangenen Monaten zahlreiche Steuerkanzleien persönlich besucht und sie nach ihren Produktanforderungen gefragt.

Die folgenden Funktionen (und noch mehr) werden 2024 die Betreuung von Onlinehändlern in der Steuerkanzlei noch transparenter und einfacher machen. Wir wollen den Kanzleien die Werkzeuge an die Hand geben, damit sie Mandate im E-Commerce so effizient und proaktiv betreuen können, wie es der Stand der Technologie ermöglicht.

Da ich mich selbst sehr auf auf diesen großen Schritt freue, habe ich spontan meine Gedanken dahinter geschrieben. Ich freue mich auf euer Feedback – gerne in den Kommentaren.

  • Forderungskonten können getrennt nach Verkaufskanal und Marktplatz geführt werden. (Transparenz! Datenbasierte Beratung!, …)
  • Individuelle Verrechnungskonten können nach Zahlungsanbietern (z.B. Paypal, Shopify-Payments, …) oder dem Marktplatz, über den die Zahlung abgewickelt wird, aufgesetzt werden.
  • Noch einfachere Abstimmung der EU-weiten Umsatzsteuer-Voranmeldungen mit den Erlös- und Umsatzsteuer-Konten (Da geht mein Umsatzsteuer-Sonderprüfer-Herz auf!)
  • DATEV Buchungsdatenservice-Anbindung, um Daten aus Taxdoo direkt in die DATEV Cloud zu übertragen: kein Herunter- und Hochladen des DATEV-Exportes mehr
  • Einfacher Abgleich der Kontensalden zwischen DATEV und Taxdoo, da Taxdoo bei Sammelbuchungen in DATEV jede Transaktion im Sinne des § 146 Abs. 1 AO aufzeichnet und vorhalten kann (Da gehen mein Daten- und mein GoBD-Herz gleichzeitig auf!)
  • Verbuchung von Wechselkursdifferenzen, Bestandsveränderungen und Drittlandsverkäufen (z.B. Transaktionen aus Amazon US). (amazon.com, USA! Yeah!)

4 Kommentare

    Während Retouren auf ca. 5% der Bestellungen kommen, hält Amazon im Durchschnitt ca. 25% des Monatsumsatzes zurück.

    Im Endeffekt ist es eine Mischkalkulation und die 7 Tage nach Lieferdatum sind daher zu lange, da der zurückgehaltene Betrag nach 7 Tagen bereits unverhältnismäßig hoch ist im Vergleich zu den zu erwarteten Retouren.

    Faktisch finanziert sich Amazon daher auf Kosten der Händler und es ist eher eine weitere versteckte Gebühr. Es wäre daher notwendig gewesen, dies kritischer in diesem Blog zu analysieren und hinterfragen, anstatt Amazon zu viel Verständnis entgegenzubringen. Es sind vielmals Maßnahmen, die “fair” klingen, aber in der tatsächlichen Umsetzung eben nicht verhältnismäßig sind.

    Moin Fabian,

    vielen Dank für Dein offenes und ehrliches Feedback! Wir nehmen das als Anlass, das einmal anhand unserer Daten (viele Tausend Händler) kritisch(er) zu hinterfragen und hier ein Update zu geben.

    Liebe Grüße
    Roger

    grob gerechnet, 7/30 Tage = entsprechen genau genommen ca. 23%. Bei Retouren von 5% behält Amazon also ca. 18% zu viel ein. Bei einer monatlichen Auszahlung von 200.000€, entspricht dies ca. 36.000€, was Amazon sich als zinslosen Kredit genehmigt. Bei 5% Finanzierungskosten entspricht es 1800€. Es sind also knapp 1% zusätzliche Kosten in Bezug auf die Auszahlung bzw. ca ein halbes Prozent auf den Umsatz (Annahme 50% Auszahlung vom Umsatz), die einkalkuliert werden muss.

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