Alignment: die geheime Strategie generativer KI (im Steuerrecht)?

Wir stehen erst am Anfang eines neuen Zeitalters – dem Zeitalter der Effizienz durch Technologie – und sollten dem mit Mut und Bock entgegengehen. Das sollten wir immer mit einem wachen und kritischen Geist machen. Dafür brauchen wir jedoch auch eine grundlegende Regulierung von Schlüsseltechnologien, wie z.B. generativer Künstlicher Intelligenz.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
Alignment: die geheime Strategie generativer KI (im Steuerrecht)?

Dieser Artikel aus der ZEIT vom 21. März 2024 war am gestrigen Sonntagnachmittag beim Tee die Diskussion mit meinem ältesten Sohn, der neben dem Taschengeld mittlerweile auch die 20 Dollar für ChatGPT jeden Monat on top von seinen Eltern bekommt (Warum eigentlich?). Diese Diskussion hat m.E. aber auch eine Tragweite, die uns die kommenden Jahre umtreiben sollte.

Brauchen wir eine Regulierung von – für den Anwender – technologischen Blackboxen wie generative Künstliche Intelligenz (KI) und/oder TaxTech?


Der ZEIT-Artikel adressiert die Herausforderung, dass generative KI aktuell nicht selten eine eigene Haltung/Tendenz entwickelt. Das fasst man derzeit unter Alignment bzw. Ausrichtung zusammen. Wo kann das zum Problem werden? Auch in meiner Welt, dem Steuerrecht?

Aber fangen wir vorne an. Wie erzeugt man Alignment? Und was ist das jetzt konkret? Nehmen wir ein Beispiel, welches vielen noch präsent sein sollte.

KI-Alignment kann über unterschiedliche Methoden erzeugt werden. Die bekannteste ist mittlerweile, dass Prompts für den Nutzer unsichtbar ergänzt werden. Die Entwickler der KI können dabei mit recht simplen Methoden ihre eigene Sicht der Dinge – oder die ihrer Geldgeber – implementieren.

Alignment-Methoden: Hidden Prompting

Nehmen wir das konkrete Beispiel in Bezug auf die Papst-KI-Diskussion aus der ZEIT vom 21.03.2024. Dabei ging es um das KI-Phänomen, dass Nutzer sich von der KI Bilder von Päpsten generieren lassen wollten. Obwohl jeder weiß, dass dieser Beruf über Jahrhunderte ausschließlich von alten weißen Männern dominiert wurde, waren die Ergebnisse verblüffend, wie es das Foto oben zeigt.

Der Grund? Alignment bzw. Hidden Prompting. Die Entwickler der KI hatten in diesem Fall – Bilder zu Berufen – eine Diversität implementiert, die es leider faktisch nie gab. Wie?

Nehmen wir an, ein Schüler der Oberstufe sucht für ein Geschichtsreferat Bilder von Päpsten. Sein Prompt sähe dann wie folgt aus.

Prompt: Zeige mir Bilder von Päpsten.

Wenn die KI-Entwickler an dieser Stelle zum Beispiel sicherstellen wollen, dass bei allen Anfragen zu Berufen Diversität immer zur Geltung kommt, könnten sie an derartige Prompts immer einen versteckten Teil anhängen.

Prompt + <Alignment>: Zeige mir Bilder von Päpsten <und berücksichtige dabei alle Ethnien>.

Wer mehr zu den Hintergründen lesen will, dem sei diese Quelle empfohlen. Die Entwickler der in diesem Fall betroffenen Google-KI haben bereits eingeräumt, dass sie mit ihren guten Absichten über das Ziel geschossen sind und dabei Wasser auf die Mühlen aller Schwurbler gegossen haben.

Was hat KI-Alignment jetzt mit Steuerrecht zu tun?

Im Steuerrecht gibt es derzeit noch keine native KI. Die werden wir meines Erachtens auch so bald nicht sehen. Viele Anbieter setzen derzeit auf Technologien etablierter Anbieter wie zum Beispiel Open AI, Aleph Alpha, …

Deren Modelle werden dann mit dem Steuerwissen entweder der Big4 oder z.B. von Fachverlagen trainiert

Der Anbieter hat/hätte die Macht, mittels Alignment eigene Standards für weitergehende Produkte unbewusst in den Markt zu drücken. Insbesondere, wenn es um Tax-Technology bzw. Software geht.

Das ist nicht neu und ich habe das vor ca. sieben Jahren selbst gemacht, als ich in jeder Publikation darauf hingewiesen habe, dass in einem Amazon-Pan-EU-Setup Onlinehändler bzw. Mandanten Buch- und Belegnachweise brauchen, die nur eine Form haben können: Pro-Forma-Rechnungen. Dieser Standard hat sich mittlerweile im E-Commerce etabliert, was gut und sachlich richtig ist. War das daher verwerflich? Denn natürlich ist das auch ein Produkt/ein Add-on, das man letztendlich in einem Markt verkaufen kann, der dieses Thema vorher nicht kannte.

Das Beispiel zeigt letztendlich eines. Jeder (fachliche) Inhalt hat auch immer eine Metaebene: ein Alignment. Das ist kein reines KI-Thema und es ist so alt wie unsere Schrift oder gar die Höhlenmalerei. Wer Inhalte kreiert oder wie KI gar ein Gatekeeper zu Inhalten darstellt, hat letztendlich die Deutungshoheit.

Regulierung der technologischen Blackboxen

Kürzlich hatte ich Jens Henke (Vize-Präsident Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg) zu Gast in Auf einen Schnack mit … Dabei ging es um den Fall ExpressSteuer und die Gefahr der Steuerhinterziehung mittels TaxTech und/oder KI. Mehr dazu findet ihr hier in dem Interview #2.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Egal, ob wir über KI oder TaxTech sprechen – die Grenzen verschwimmen da auch zunehmend – sollte ein Grundsatz gelten.

Technologie, die so tief in unser Leben, unsere Unternehmen, in die Steuerfindungsprozesse eingreift, darf niemals eine Blackbox mit einer versteckten Strategie sein. Daher brauchen wir an dieser Stelle Regulierung.

Pip Klöckner, der Co-Host des Doppelgänger-Podcasts, hielt dazu im September 2023 einen aufschlussreichen Vortrag an der Schule meiner Kinder. Die beiden Schüler, die den Vortrag für die Schul-Website im Nachgang zusammenfassen sollten, haben das mittels ChatGPT gemacht. ABER: Sie haben am Ende auch die Präsentation von Pip verlinkt, die ich jedem empfehlen kann.

Wir stehen erst am Anfang eines neuen Zeitalters – dem Zeitalter der Effizienz – und sollten dem mit Mut und Bock entgegengehen. Aber wir sollten das auch immer mit einem wachen und kritischen Geist machen





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