Onlinehandel in die Schweiz und Umsatzsteuer ab 2025

Die Schweiz ist sicher nicht der größte Absatzmarkt für Onlinehändler – aber einer, in dem die Kaufkraft verhältnismäßig hoch ist. Jetzt fragt ihr euch: Wie läuft es da eigentlich mit der Umsatzsteuer? Die Antwort ist: Ab 2025 hat die Schweiz aus guten Gründen das Thema Umsatzsteuer (die Schweizer sprechen von Mehrwertsteuer) und Marktplätze neu geregelt.
Wir erklären, was sich dabei genau geändert hat und wo ihr das in euren Daten bzw. den Daten eurer Mandanten findet.
Jetzt fragt ihr euch vielleicht: Moment mal! Aus deutscher Perspektive und aus Sicht des deutschen Umsatzsteuerrechts ist die Sache doch seit Jahrzehnten (genauer gesagt seit 1993) klar geregelt. Muss ich da mehr wissen? Ja!
Lieferungen aus Deutschland in die Schweiz sind doch einfach immer steuerfrei?
Aus deutscher Perspektive stimmt das. Lieferungen aus Deutschland in die Schweiz sind sogenannte steuerfreie Ausfuhrlieferungen nach § 6 UStG i.V.m. § 4 Nr. 1 a) UStG.
Wir müssen bei Lieferungen in Drittstaaten, zu denen die Schweiz gehört, aber auch immer die Perspektive und das Umsatzsteuerrecht des Bestimmungslandes mit berücksichtigen.
(P.S.: Hier zeigt sich übrigens der Vorteil der EU: ein harmonisiertes Umsatzsteuerrecht.)
Wir fangen dazu mit Neuregelung zum 1.1.2019 an, weil diese hier nachwirkt. Wenn ihr eher vom Typus TikTok-Aufmerksamkeitsspanne seid und an dieser Stelle euer Gehirn signalisiert: Noch max. 30 Sekunden! Dann überspringt das folgende Kapitel einfach.
Wie lief es beim Onlinehandel in die Schweiz vor 2025?
Vor dem 1.1.2025 gab es für sogenannte Kleinsendungen eine Art Lieferschwelle. Diese lag (und liegt auch weiterhin) seit 2019 bei 100.000 CHF pro Jahr. (Hier erfahrt ihr mehr.) Mit Überschreiten der Lieferschwelle verlagert sich der Ort dieser Kleinsendungen aus Schweizer Sicht in die Schweiz. Es fällt also unmittelbar Schweizer Mehrwertsteuer an.
Exkurs Kleinsendungen Schweiz: Als Kleinsendungen bezeichnen die Schweizer alle Sendungen, bei denen die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) unter 5 CHF liegt. Bis zu diesem Betrag erhebt die Schweiz die EUSt aus Gründen der Vereinfachung nicht.
Da die Mehrwertsteuersätze in der Schweiz im einstelligen Bereich liegen, trifft das auf allen Warenkörbe bis ca. 65 CHF bzw. ca. 65 Euro zu. Für diese Warenkörbe wird die EUSt grundsätzlich nicht erhoben. Das war ein Wettbewerbsvorteil für Onlinehändler, die in die Schweiz lieferten bzw. eine Wettbewerbsverzerrung für die heimischen Händler.

Neuregelung der Umsatzsteuer bei Lieferungen in die Schweiz ab 2025: Lieferkettenfiktion
Offenkundig haben sich trotz der Steuerpflicht in der Schweiz nicht hinreichend viele Onlinehändler dort steuerlich registriert, sodass die Schweiz seit dem 1.1.2025 auf ein in diesen Fällen bewährtes Konstrukt zurückgreift: Der Marktplatz führt ab 2025 die Umsatzsteuer für den Händler ab.
Eines vorweg: Betrifft das alle Marktplätze? Nein, es betrifft die Marktplätze, über die Kleinsendungen in Höhe von mehr als 100.000 CHF pro Jahr in die Schweiz gesendet werden – also auf jeden Fall die großen: Amazon, eBay, Zalando, …
In diesem Fall wird eine sogenannte Lieferkette fingiert (Lieferkettenfiktion oder auch Deemed Supplier). Das bedeutet: der Onlinehändler liefert (fingiert) an den Marktplatz und der Marktplatz liefert (fingiert) an den Käufer in der Schweiz.

Umsatzsteuer bei Marktplatzlieferungen in die Schweiz: Wo finde ich das in den Daten?
Diese Frage ist immer die zentrale Frage in meinen Umsatzsteuer-E-Commerce-Seminaren. Daher freue ich mich, dass sie auch hier gestellt wurde.
Wir betrachten das am Beispiel eines echten Amazon-Datensatzes: aus GoBD-Sicht ein sogenannter Rohdatensatz (aber dazu bald einmal mehr).
Der folgende Auszug aus dem Amazon Umsatzsteuer-Transaktionsbericht eines deutschen Onlinehändlers zeigt euch, wo ihr die Antwort auf eure Frage findet: Hat der Marktplatz für mich (bzw. meinen Mandanten) bereits die Umsatzsteuer abgeführt?
- Seine Lieferungen in die Schweiz (ARRIVAL_COUNTRY=CH) aus Deutschland und anderen EU-Ländern unterliegen
- der Steuerpflicht durch den Marktplatz/Amazon (TAX_COLLECTION_RESPONSIBILITY=MARKETPLACE)

Habt Ihr weitere Frage dazu? Stellt diese gerne hier in den Kommentaren. Ich antworte euch gerne persönlich.
Fazit: Ehrliche Onlinehändler profitieren
Redliche Händler, die sich ab 2019 nach dem Überschreiten des Schwellenwertes von 100.000 CHF für ihre Kleinsendungen in der Schweiz steuerlich registriert haben, profitieren seit 2025, wenn sie über Amazon und Co. handel.
In diesem Fall führen jetzt die Marktplätze die Umsatzsteuer ab und die Händler sparen sich die Kosten für die steuerliche Vertretung in der Schweiz.
Die Unredlichen, die bislang auf eine steuerliche Registrierung verzichtet und damit die Schweiz zu diesem Schritt bewegt haben, müssen ihre Margenkalkulation jetzt anpassen, denn ab sofort behalten Amazon und Co. die Schweizer Mehrwertsteuer für sie ein.
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Hagen
Hallo und danke für diesen interessanten Artikel. Ich verkaufe häufig Waren in der Größenordnung bis ca. 80€ nach Großbritannien und dort führt EBAY die MwSt. ja schon länger ab. Erst seit wenigen Wochen (also wohl seit Anfang 2025) habe ich bemerkt, dass EBAY das nun auch für die Schweiz genauso handhabt, was Du ja hier beschreibst. Ich frage mich nun, wie ich das für B2B Kunden (also mit angegebener UID Nr.) in der Schweiz mache, wenn der Warenwert eben deutlich über den 65 CHF (ca. =EUR) liegt. Bisher habe ich solche Rechnungen immer netto ausgestellt – mit dem deutlichen Hinweis auf das REVERSE CHARGE Verfahren inkl. kurzer Erläuterung dazu. Private Kunden konnte ich eben nicht oberhalb dieses Warenwertes beliefern, da ich in der Schweiz nicht steuerlich registriert bin.
Fazit: Ich verstehe also richtig, dass sich nur für Privatkunden in Verbindung mit Kleinbetragslieferungen/Marktplätzen etwas ändert. Dort hatte ich bisher steuerfrei geliefert (diese hatte ich meinen Kunden auch schon in der Vergangenheit über den Marktplatz immer erstattet) und nun wird die Steuer automatisch abgezogen und daher vom Kunden bezahlt. Für meine Kalkulation ändert sich dann eigentlich doch im Ergebnis nichts.
Dr. Roger Gothmann
Moin Hagen,
vielen Dank für dein Feedback!
Ja, du kannst das mit Großbritannien vergleichen. Der Mechanismus dahinter ist fast identisch. In Großbritannien liegt der Schwellenwert pro Warenkorb allerdings bei 135 britischen Pfund. Das Ganze habe ich hier ausführlich erläutert.
Zu Deinen Fragen:
1. Du selbst erstellst in diesem Fall keine Rechnung an den Kunden, da Amazon (bzw. eBay) diese Lieferung mit dem Kunden abrechnet.
2. Ja, es betrifft Kleinsendungen sowie B2B UND B2C.
Viele Grüße
Roger Gothmann
Thomas Resch
Hallo Herr Dr. Roger Gothmann,
wie sieht denn so eine Rechnung an eBay dann aus?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas
Dr. Roger Gothmann
Lieber Herr Resch,
in der Regel sollte eBay in Form einer Gutschrift abrechnen.
Herzliche Grüße
Roger Gothmann
Thomas Resch
Vielen Dank!
Aber ich meinte ob ich eine “fiktive” Rechnung an ebay erstellen soll.
Dr. Roger Gothmann
Lieber Herr Resch,
nein, die Gutschrift von eBay ist hinreichend.
Herzliche Grüße
Roger Gothmann
Daniel
Hallo Roger,
wenn ich es richtig verstehe, dann ist mein Umsatzerlös, dass, was der Kunde auf eBay bezahlt bei mir in der Buchhaltung brutto=netto und die Schweizer Mehrwertsteuer buchhalterisch ein Aufwand.
Wenn der Warenwert aber >62 CHF ist, dann muss ich für die Einfuhr in die Schweiz der Sendung einen Wertenachweis beilegen. In der Vergangenheit haben wir dies als in der Schweiz MWST-registriertes Unternehmen einfach den Rechnungsbeleg beigefügt.
Wenn ich meine MWST-Registrierung in der Schweiz aufgebe, welche Art des Wertenachweises lege ich dann bei? Meine Idee wäre es, dass ich meine WaWi so konfiguriere, dass Schweizer Kunden, die über Marktplätze kommen, grundsätzlich eine Proforma Rechnung erhalten mit dem Verweis, dass der Rechnungsbeleg mit MWST-Ausweis vom Marktplatz zu beziehen ist. Dann hätte der Zoll ein Dokument für die Einfuhr und der Sachverhalt wäre auch in der Wawi sauber abgebildet.
Wäre das eine gute Lösung und müsste die Proforma Rechnung dann über den Marktplatz Kaufpreis ausgestellt werden oder über den Netto-Warenwert (inkl. Porto) exklusive Schweizer MWST?
Gruß, Daniel
Luk
Hallo Roger,
zwei Fragen hätte ich dazu:
Du hast geschrieben, dass Nicht-Kleinsendungen nicht betroffen sind. Heißt das, dass Amazon theoretisch für Sendungen mit einem Warenwert über ca. 65 CHF nicht die Mehrwertsteuer einbehalten und abführen muss?
Wie verhält sich die Thematik bei dem Verkauf über eigene Shopify Shops? Der eigene Shop gilt ja nicht als Marktplatz, demnach könnten noch wie vorher 0% Rechnungen ausgestellt werden unabhängig des Warenwertes und unter der Voraussetzung, dass die Lieferschwelle von 100.000 CHF nicht überschritten wurde, oder ist es anders?
Vielen Dank!
Thomas
Hallo Roger. Wie ist das denn mit nicht-Kleinsendungen, die über Amazon verkauft werden? Wir haben nun den ersten Fall einer nicht-Kleinsendung, die aus PL nach CH geliefert wurde. Hier hat Amazon wie auch bei Kleinsendungen die Rechnung erstellt und die Steuerabgeführt.
Was meintest du genau oben in deinem Punkt “Wichtig: Nicht-Kleinsendungen sind von dieser Regelung nicht betroffen.”? Meintest du, dass es keinen VCS Report gibt oder dass Amazon die Steuer nicht abführt? Denn aufgrund der Rechnungsstellung sieht es mir so aus, als würde Amazon auch bei nicht-Kleinsendungen die Steuer abführen.
Dr. Roger Gothmann
Moin Thomas,
vielen Dank für Deine Frage!
Für das Überschreiten des Schwellenwertes werden nur die Kleinsendungen herangezogen. Danach gilt die Lieferkettenfiktion aber für alle Lieferungen.
Das war im Blog etwas missverständlich dargestellt. Ich habe das dank deiner Rückmeldung angepasst.
Herzlichen Dank und herzliche Grüße
Roger