Cum-Ex Mastermind der Staatsanwaltschaft gibt Beamtenurkunde zurück

Transparenz und Effizienz sind die Kernbegriffe zu jeder Diskussion über die Entwicklung der Finanzverwaltung. Dafür braucht es kluge und mutige Menschen. Eine von ihnen hat jetzt um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 3min. Lesezeit
Cum-Ex Mastermind der Staatsanwaltschaft gibt Beamtenurkunde zurück

Über den Cum-Ex-Skandal wurde bereits so viel geschrieben und gesprochen, dass das Aufregungspotenzial weitgehend abgenutzt ist. Heute machte jedoch eine Nachricht die Runde, die daran zweifeln lässt, ob eine vollumfängliche Aufklärung noch möglich ist.

Cum-Ex: Mehr als 1.700 Beschuldigte in Banken und Großkanzleien sowie ein Steuerschaden im Milliardenbereich stehen für eines der größten Steuerstrafverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik und der EU. Dabei ließen sich Finanzinstitute doppelt, dreifach, vierfach, … die Kapitalertragssteuer auf Dividenden erstatten, die nur einmal gezahlt wurde. Selbst in Form von Beteiligungsmodellen (Fonds) wurde institutionellen Investoren und vermögenden Privatinvestoren dieses Betrugsmodell, bei dem man aus dem Nichts Geld zauberte (bzw. ergaunerte), angeboten.

Die Chefermittlerin und Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker hat nun um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten. Dabei sparte sie nicht mit Kritik an den Widerständen im Rahmen ihrer Ermittlungen, die sie aus der Politik und der Verwaltung erfahren hat.

Quelle: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/cum-ex-aufarbeitung-100.html

Einen umfassenden Bericht dazu veröffentlichte heute der Investigativ-Journalist Massiomo Bognanni für den WDR. Dieser ist hier nachzulesen. Wer der nachfolgenden Diskussion auf LinkedIn folgen will, ist hier herzlich dazu eingeladen.

Meine Gedanken dazu

Das ist ein fatales Signal. Bei dem Arbeitnehmer, der täglich zur Arbeit fährt, überprüfen wir in den Finanzämtern die Kilometeranzahl mittels Google-Maps. Bei derartig kriminellen Strukturen, die auch auf Gutachten von Linklaters & Co. setzten, bringen wir die wenigen herausragenden verbeamteten Experten – deren Lichtgestalt Anne Brorhilker zweifelsohne war – dazu, aufzugeben. Das ist sicher kein böser Wille von irgendjemandem. Allerdings fühlt man sich innerhalb der Finanzverwaltung nicht selten als Querulant und Störer, wenn man aus dem stetigen Alltag ausbricht und die Dinge grundlegend hinterfragt. Das war auch der Grund, warum ich meine Lebenszeiturkunde Ende 20 zurückgegeben habe (und meine Schwiegereltern mich fast gekillt hätten.)

Steuergerechtigkeit ist fundamental für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Leider ist die Verantwortung dafür in Deutschland so dermaßen zerfasert, dass am Ende niemand wirklich den Kopf für derartig toxische Signale hinhalten muss.

Steuergerechtigkeit: mehr als eine Floskel, sondern gesellschaftlicher Kitt!

Steuergerechtigkeit ist einer der Grundsätze, die tief in der Abgabenordnung verankert sind. Wenn sich jedoch der Eindruck festsetzt, dass man die Großen laufenlässt und die Kleinen fängt, dann wächst das Ungerechtigkeitsempfinden in der Breite und der Drang zur Steuerhinterziehung im Kleinen (Wenn die da oben das machen, kann ich das auch.) gedeiht.

§ 85 AO: Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.

Interview mit Florian Köbler: Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft

Auch zu diesem Thema und dem Missverhältnis zwischen der Ermittlungsarbeit bei Arbeitnehmern und den Großen habe ich kürzlich in: Auf einen Schnack mit Florian Köbler – dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft – diskutiert.

Ihr findet das vollständige Gespräch hier.

Wir brauchen nicht neue Gesetze. Wir brauchen keine weitere Bundesbehörde zur Steuerstrafverfolgung, wie es jetzt gefordert wird. Wir brauchen in erster Linie einen besseren Austausch zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Politik, sodass die Ministerialdirigenten im Berliner BMF mit echtem Praxiswissen und etwas mehr Skin-in-the-Game ihrem Chef zukünftig deutlich früher auf den Füßen stehen, als bisher.

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