Schweiz und Co. – Lieferungen ins Drittland

Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 9 min. Lesezeit
Schweiz und Co. – Lieferungen ins Drittland

Wenn ihr eure Waren über elektronische Marktplätze oder den eigenen Webshop verkauft, unterliegen diese Lieferungen grundsätzlich der Umsatzsteuer.

Es ist aber auch denkbar, dass Lieferungen umsatzsteuerfrei sind. In diesem Beitrag wollen wir auf eine der wichtigsten Ausnahmen eingehen: Lieferungen in Nicht-EU-Länder (Drittland), sogenannte Ausfuhrlieferungen, sind von der Umsatzsteuer befreit.

Ausfuhrlieferungen sind steuerfrei

Versendet ihr eure Produkte in Länder, die nicht zur EU gehören, ist diese Lieferung von der Umsatzsteuer befreit. Dabei ist es egal, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine Privatperson ist.

Wären Ausfuhrlieferungen nicht steuerbefreit, würde es in den meisten Fällen zu einer doppelten Belastung eurer Lieferungen mit Umsatzsteuer kommen. Die meisten Nicht-EU-Staaten belasten Einfuhren mit einer sogenannten Einfuhrumsatzsteuer.

Nicht-EU oder die sogenannten Drittländer

Die Definition Drittland ist grundsätzlich einfach. Es handelt sich dabei um alle Länder, die nicht zur EU gehören. Die für euch vermutlich (noch) wichtigsten Drittländer sind die Schweiz oder für viele auch zunehmend die USA. Es gibt allerdings noch ein paar Besonderheiten:

  • Als Drittland gelten z.B. auch: Helgoland, Andorra, Gibraltar, Vatikan.
  • Lieferungen in das Fürstentum Monaco gelten als nach Frankreich erbracht und stellen daher keine Ausfuhrlieferungen dar.
  • Nach abgeschlossenem Austritt Großbritanniens (GB) in den kommenden Monaten aus der EU (BREXIT) wird vermutlich auch GB als Drittland gelten.

Risiko: Umfangreiche Nachweispflichten

Die größte Herausforderung stellen für viele Händler die umfangreichen Nachweispflichten dar. Könnt ihr anhand von Belegen und Aufzeichnungen nicht beweisen, dass eure Lieferung tatsächlich in das Drittland gelangt ist, wird Umsatzsteuer fällig. Die Finanzverwaltung hat die folgenden Grundsätze für hinreichende Nachweise aufgestellt. Dabei ist immer ein Belegnachweis und ein Buchnachweis zu führen. Was bedeutet das?

Belegnachweis: Beweis der Ausfuhr

Der wichtigste Nachweis ist der Ausfuhrnachweis. Da es sich dabei in der Regel um ein Dokument handelt, wird dieser Belegnachweis genannt. Bei der genauen Form wird unterschieden, ob ihr bzw. euer Logistikdienstleister die Ausfuhrlieferung über das elektronische Ausfuhrverfahren des Zolls, ATLAS, abwickeln müsst oder nicht.

ATLAS-Ausgangsvermerk

Verpflichtend ist ATLAS für alle Lieferungen mit einem Warenwert über 1.000 Euro oder einem Gewicht von über 1.000 kg. In diesem Fall ist die Nachweisführung am einfachsten. Ihr oder euer Logistikdienstleister erhaltet einen sogenannten Ausgangsvermerk. Achtet unbedingt darauf, dass ihr den endgültigen und keinen vorläufigen Ausgangsvermerk erhaltet.

Ein Muster des endgültigen Ausgangsvermerkes findet ihr z.B. auf der Website des Bundesministerium der Finanzen (siehe Seite 5). Wichtig ist, dass auf dem Ausgangsvermerk eine MRN-Nummer (siehe oben rechts) eingetragen ist. Mit der MRN-Nummer kann eure Lieferung über die Website der EU-Kommission eindeutig nachverfolgt werden.

Andere Ausgangsvermerke

Oftmals werden eure Lieferungen in das Drittland die genannten Wert- oder Gewichtsgrenzen nicht überschreiten. In diesen Fällen könnt ihr folgende Alternativbelege verwenden:

  • Frachtbrief (z.B. CMR), oder
  • bei im Postverkehr versendeten Lieferungen den Einlieferungsschein.

Ihr müsst unbedingt darauf achten, dass diese Belege vollständig und richtig ausgefüllt sind. Ein Einlieferungsschein, aus dem sich das Zielland nicht ergibt, stellt keinen korrekten Ausgangsvermerk dar. Bei Frachtbriefen (insbesondere CMR) wird sehr häufig das Feld 1 (Auftraggeber der Versendung) mit falschen Informationen befüllt.

Alternativ zu den o.g. Standardbelegen kann euch euer Logistiker auch einen eigenen Beleg ausstellen. Dieser muss aber zwingend die folgenden Mindestangaben enthalten:

  • den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
  • den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers und des Auftraggebers der Versendung,
  • die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) des ausgeführten Gegenstands,
  • den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung des ausgeführten Gegenstands in das Drittlandsgebiet,
  • den Empfänger des ausgeführten Gegenstands und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
  • eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers darüber, dass die Angaben im Beleg auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind, sowie
  • die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers.

Buchnachweis

Zusätzlich zum Ausfuhrnachweis (Belegnachweis) müsst ihr einen Buchnachweis führen. Dabei sind die folgenden Angaben schriftlich festzuhalten (daher der Begriff Buchnachweis):

  • Menge des Gegenstands der Lieferung sowie die handelsübliche Bezeichnung,
  • Namen und Anschrift des Abnehmers oder Auftraggebers,
  • Tag der Lieferung,
  • das Entgelt,
  • Tag der Ausfuhr,
  • ggf. die MRN-Nummer.

In der Regel müsst ihr diese Angaben nicht nochmals schriftlich festhalten. Grundsätzlich sollten diese Informationen im Ausfuhrbeleg und der Rechnung enthalten sein. Daher empfehlen wir euch, auch bei Ausfuhrlieferungen an Privatpersonen eine Rechnung zu erstellen.

Eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit

Die beiden genannten Nachweise (Belegnachweis und Buchnachweis) müssen für einen außenstehenden Dritten leicht nachprüfbar sein.
Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn ihr Rechnungen und Ausfuhrbelege getrennt voneinander ablegt, so dass diese im Nachhinein nicht mehr miteinander verknüpft werden können.

Leicht und eindeutig nachprüfbar wäre z.B., wenn ihr den Ausfuhrbeleg und die dazugehörige Rechnung mit einer eindeutigen Registrierungsnummer verseht, so dass man beide Dokumente auch später noch eindeutig einander zuordnen kann. Andere Verfahren oder Methoden sind aber auch denkbar.

Das höchste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof, hat mit einem
Urteil aus 2015 nochmals bestätigt, dass die geforderten Nachweise ausschließlich in Form von Belegen und Aufzeichnungen zu führen sind. Andere Nachweise, wie z.B. Zeugenaussagen, sind nicht hinreichend (Hinweis: Dieses Urteil bezog sich auf steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Die Grundsätze können aber auch auf Ausfuhrlieferungen übertragen werden.).

Betriebs- und Umsatzsteuer-Sonderprüfer schauen genau hin

Angesichts der Komplexität und des Umfangs der Beweisführung liegt es auf der Hand, dass in der Praxis sehr häufig Fehler auftreten. Aus diesem Grund waren die Buch- und Belegnachweise für Ausfuhrlieferungen bislang immer ein Schwerpunkt im Rahmen von Betriebs- und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen—und werden es wohl auch zukünftig sein.

Stellt der Finanzbeamte im Rahmen seiner Prüfung fest, dass eure Aufzeichnungen systematisch falsch sind und nicht nur Flüchtigkeitsfehler vorliegen, wird er seine Prüfung in vielen Fällen zeitlich ausdehnen. Ein Umsatzsteuer-Sonderprüfer, der regelmäßig einen vergangenen Zeitraum zwischen 1 und 12 Monaten prüft, könnte sich dann z.B. die Ausfuhrnachweise der zurückliegenden 4 Jahre anschauen, nachdem er euch dies mithilfe einer erweiterten Prüfungsanordnung mitgeteilt hat. Selbst bei relativ geringen Umsätzen müsst ihr dann mit empfindlichen Nachzahlungen rechnen, wie das folgende Beispiel verdeutlicht:

Nehmen wir an, ihr habt einen Jahresumsatz von 250.000 Euro. Darunter befinden sich Lieferungen in das Drittland in Höhe von 50.000 Euro pro Jahr. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung, in der nur das erste Quartal des Jahres geprüft werden sollte, stellt sich heraus, dass ihr eure Einlieferungsscheine einfach lose in nach Kalenderjahren sortierten Schuhkartons abgelegt hat. Der Prüfer moniert zu recht, dass diese Art der Nachweisführung in keiner Weise leicht und einfach nachvollziehbar ist. Er erweitert daraufhin seine Prüfung auf 4 Kalenderjahre.

Er stellt dabei fest, dass sich der Fehler aus dem ursprünglichen Prüfungszeitraum durch alle 4 Jahre zieht. Er vermerkt dies in seinem Prüfungsbericht und das Finanzamt erhebt durch geänderte Umsatzsteuer-Bescheide die Umsatzsteuer aus euren Ausfuhrlieferungen für die vergangenen 4 Jahre nach.

In diesem Beispiel würde sich die folgende Nachzahlung für euch ergeben.

  • 7.983,19 Euro Umsatzsteuer pro Kalenderjahr (Hinweis: Die Umsatzsteuer wird aus den 50.000 Euro herausgerechnet und nicht aufgeschlagen.)—für die 4 Kalenderjahre also: 31.932,76 Euro Umsatzsteuer.
  • Hinzu kommt, dass die nachzuzahlende Umsatzsteuer auch noch mit 6 Prozent pro Kalenderjahr verzinst wird. Es kommen also noch ca. 2.800 Euro an Zinszahlungen hinzu. (Hinweis: Der Zinslauf beginnt nicht unmittelbar mit Ablauf des Kalenderjahres.)
  • Insgesamt hat euch die sicherlich bequeme aber fehlerhafte Dokumentation eurer Ausfuhrlieferungen fast 35.000 Euro gekostet—und das bei einem Jahresumsatz von 250.000 Euro bzw. Ausfuhrlieferungen in Höhe von nur 50.000 Euro pro Jahr.

Das Beispiel zeigt, wie sich derartige Risiken über mehrere Jahren kumulieren und dann nach einer Prüfung ggf. bis zur Insolvenz führen können. Lasst es nicht so weit kommen!

Rettungsmaßnahmen

Wir haben euch gezeigt, wie ihr eure Ausfuhrlieferungen zwingend dokumentieren solltet. Hattet ihr gerade eine Prüfung durch das Finanzamt oder steht diese in Kürze an und es werden Fehler in der Nachweisführung festgestellt, könnt ihr möglicherweise auf die folgende Rechtsprechung verweisen.

Sowohl das höchste europäische Finanzgericht, der Europäische Gerichtshof, als auch der Bundesfinanzhof haben im Jahr 2007 entschieden, dass die genannten Buch- und Belegnachweise keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen sind. Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass die genannten Nachweise bzw. Belege grundsätzlich zu führen sind. Fehlt einer der oben genannten Nachweise bzw. Belege oder ist fehlerhaft, führt das aufgrund der Urteile aber nicht mehr zwangsläufig zu einer nachträglichen Erhebung der Umsatzsteuer, wenn nach objektiver Beweislage feststeht, dass die Ware ins Drittland gelangt ist.

Wie genau diese objektive Beweislage aussehen kann, ist nicht definiert und hängt stark vom Einzelfall ab. Oftmals werdet ihr oder euer Steuerberater den Prüfer auch nicht unmittelbar überzeugen können, da dieser sich in der Regel an die klaren Vorgaben der Finanzverwaltung und nicht an abstrakte Begriffe aus Gerichtsurteilen hält. In diesem Fall müsste dann der Weg über das Einspruchsverfahren zu gehen sein. Zusätzlich sollte versucht werden, eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) für die nachzuzahlende Umsatzsteuer und Zinsen zu erlangen—also quasi eine Stundung der Nachforderungen des Finanzamtes (Hinweis: Solltet ihr das Einspruchsverfahren nicht gewinnen, würde in diesem Fall der gestundete Betrag nachträglich mit 0,5 Prozent pro Monat verzinst.).

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