Liebe Umsatzsteuer-Sonderprüfer, liebe Betriebsprüfer, liebe Steuerkanzleien: Warum die Verfahrensdokumentation Konflikte vermeidet

Fast jeder Konflikt beginnt mit einer Verletzung bzw. fehlendem Respekt. Heute will ich euch zeigen, wie ihr das im Rahmen von Betriebsprüfungen so weit als möglich vermeiden könnt: im E-Commerce und darüber hinaus.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5min. Lesezeit
Liebe Umsatzsteuer-Sonderprüfer, liebe Betriebsprüfer, liebe Steuerkanzleien: Warum die Verfahrensdokumentation Konflikte vermeidet

Kürzlich schrieb mir eine Steuerberaterin, dass der Betriebsprüfer bei einem E-Commerce-Mandat sämtliche Ausgangsrechnungen von vier Jahren in Form von PDFs sehen bzw. haben möchte. Jegliche Argumentation, dass dies für den Mandanten einen immensen Aufwand darstellen würde und in keinem Verhältnis stünde, stieß auf taube Ohren.

An dieser Stelle will ich mit euch nicht tiefgehend über den sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz diskutieren, der an dieser Stelle aber natürlich auch Beachtung finden muss und den Betriebsprüfer bindet. Wer gerade frisch aus der Steuerberaterprüfung kommt, kann diesen Absatz daher überspringen.

Exkurs Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 88 Abs. 2 AO)

Die Ermittlungshandlungen dürfen nach § 88 Abs. 2 Satz 1 AO zu dem angestrebten Erfolg nicht erkennbar außer Verhältnis stehen. Sie sollen so gewählt werden, dass damit unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls ein möglichst geringer Eingriff in die Rechtssphäre des Beteiligten oder Dritter verbunden ist. Der Gewährung rechtlichen Gehörs kommt besondere Bedeutung zu.

Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können nach § 88 Abs. 2 Satz 2 AO allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(Aus gegebenem Anlass und zur Ergänzung sei an dieser Stelle auch noch auf das am 17.02.2025 aktualisierte BMF-Schreiben zu den Rechten und Pflichten im Rahmen von Außenprüfungen hingewiesen. Ihr findet dieses hier.)

Spätestens dann, wenn sich beide Seiten aber auf derartige Formalismen berufen, droht die Außenprüfung zu eskalieren. Die Frage sollte daher sein: Wie vermeidet man eine Eskalation?

Gegenseitiges Verständnis = gegenseitiger Respekt = weniger Eskalation

Vor einiger Zeit hatte ich von einem Anruf der Finanzverwaltung NRW berichtet, der meinen Puls kurzzeitig in die Höhe gepusht hatte (mehr dazu hier). Das ginge vermutlich jedem so, denn Steuern & Finanzamt stehen für die meisten unweigerlich in einem Konfliktfeld. Das liegt einfach in unserer DNA, denn seit Jahrtausenden sind unsere Instinkte darauf ausgelegt, jeden als Feind anzusehen, der uns etwas wegnehmen will. Wer also seinen Mandanten mit seinen Ur-Instinkten durch eine Betriebs- oder Umsatzsteuer-Sonderprüfung führen will, landet schnell in einer Schwarz-Weiß-Umgebung.

Der Anrufer stellte sich als jemand heraus, der die Umsatzsteuer-Sonderprüfungen in NRW koordiniert und mich Folgendes fragte:

Herr Dr. Gothmann, wann immer meine Prüfer hinausgehen und im Vorfeld von Außenprüfungen im Bereich E-Commerce umfassende Besteuerungsgrundlagen und Daten anfordern, bekommen sie regelmäßig nicht viel mehr als Auszüge aus der FiBu. Damit können wir nicht viel anfangen. Ist das ein Kalkül der Berater?

Meine Antwort war: Nein! Die meisten Kanzleien haben einfach nicht mehr und die Mandanten/Steuerpflichtigen wissen nicht, welche Daten relevant sind und welche nicht.

Natürlich gibt es auch Steuerberater, deren Mantra ist: Gib dem Prüfer nie mehr als er verlangt – eher weniger.

Was soll das?! Warum baut man eine Front auf? Warum gibt man dem Prüfer damit das Gefühl, dass man ihn entweder für dämlich oder böswillig hält?

Macht das bitte nicht!

Die meisten Betriebsprüfer wollen nur verstehen, was ihr bzw. der Mandant “macht”

Die meisten Leser wissen, dass ich meine Karriere selbst als Betriebsprüfer starten durfte. Daher will ich hier gleich zu Beginn einmal ein paar positive BP-Vibes mit der Hilfe von Stefan Werner verbreiten.

Stefan ist nicht nur ein klasse Typ. Er schult auch seine BP-Kollegen bundesweit im Bereich der digitalen Außenprüfung. Er war 2024 Speaker auf dem Taxdoo Innovation Summit und wird es auch in 2025 sein: am 12.06.2025 in Hamburg. Ich lade euch übrigens herzlich dazu ein. Schreibt mir einfach oder kommentiert hier, wenn ihr dabei sein wollt: roger@taxdoo.com.

Worauf will ich hinaus?

Seid transparent! Kaum etwas ist für einen Prüfer abstrakter und damit schwerer zu verstehen als ein E-Commerce-Unternehmen.

Ein Prüfer, der während einer Außenprüfung jedoch im Nebel stochert, ist keine gute Sache. Da spreche ich aus eigener Erfahrung 😉

Das Zauberwort an dieser Stelle – auch wenn jetzt einige zusammenzucken – lautet Verfahrensdokumentation.

Warum überhaupt eine Verfahrensdokumentation im E-Commerce?

Die kurze Antwort auf diese Frage ist: Eine Verfahrensdokumentation kann dem Prüfer die Leitplanken geben, die er für seine Prüfung braucht. Er kann sich innerhalb kurzer Zeit in die wesentlichen Unternehmensstrukturen und Steuerfindungsprozesse einlesen. Das funktioniert auch wunderbar gesichtswahrend, denn nichts ist toxischer als ein Steuerberater, der einem Prüfer erstmal von oben herab den E-Commerce erklärt.

Beispiel?

In der Taxdoo-Verfahrensdokumentation, die jedem Kunden im Dashboard zur Verfügung steht, wird u.a. der Steuerfindungsprozess erklärt, falls der Mandant Warenlager im EU-Ausland verwendet und der Prüfer sich somit unweigerlich die Frage stellt: Wo und wie werden eigentlich diese Transaktionen versteuert? Wie ist sichergestellt, dass Deutschland die Umsatzsteuer bekommt, die uns zusteht?

All das könnte man ausschweifend während einer Prüfung erklären – oder man packt es kurz in prägnant mithilfe einer selbstsprechenden Grafik in eine Verfahrensdokumentation.

Quelle: Taxdoo Verfahrensdokumentation

Das ist Respekt. Das ist Kommunikation auf Augenhöhe. Das vermeidet Eskalation.

Darüber hinaus gibt es noch einen wunderbaren Nebeneffekt: Wenn sich Mandant und Steuerkanzlei beim Erstellen der Verfahrensdokumentation persönlich austauschen, bekommen beide nochmals ein viel besseres Verständnis des jeweils anderen.

Wie sind eure Erfahrungen beim Thema Außenprüfung und Verfahrensdokumentation? Kommentiert gerne hier.

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