OSS Schwellenwert (10.000 Euro) übersehen, verschlafen, versäumt, …? Was könnt Ihr als Onlinehändler oder Steuerberater da noch machen?

Roger-Gothmann
Dr. Roger Gothmann 4 min Lesezeit | 30.10.2025

Stellt euch vor: Ein Onlinehändler verkauft Waren B2C und grenzüberschreitend in die EU – bislang unter dem Radar des sogenannten Schwellenwertes des § 3c Abs. 4 UStG.

Jetzt zeigt sich: Er hat die einheitliche EU-weite Schwelle von 10.000 € netto überschritten und spätestens damit sind alle seine B2C-Lieferungen im EU-Ausland steuerpflichtig (§ 3c Abs. 1 UStG).

Idealerweise hat er sich vorab für den sogenannten One-Stop-Shop (OSS) registriert und kann darüber die Umsatzsteuer einfach und automatisiert abführen.

Was aber, wenn er die Frist verschlafen hat? Ist hier noch etwas zu retten? Oder, muss er diese Umsätze, die in Deutschland nicht mehr der Umsatzsteuer unterliegen, doch hier versteuern, worauf sich kürzlich ein Betriebsprüfer und ein Steuerberater im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung einigten?

Auf keinen Fall! Fangen wir von vorne an.

1. Was steckt hinter der 10.000 €-Schwelle?

Mit der Reform der EU-Mehrwertsteuer im E-Commerce („VAT in the Digital Age“) wurde zum 1. Juli 2021 die bisher geltenden länderspezifischen Lieferschwellen (z. B. 35.000 € oder 100.000 €) durch eine einheitliche EU-weite Lieferschwelle von 10.000 € netto pro Kalenderjahr ersetzt.
Was heißt das konkret? Wenn ein in Deutschland ansässiger Händler (oder Mandant) grenzüberschreitend an Privatkunden in anderen EU-Mitgliedstaaten verkauft (= Fernverläufe) und die Summe dieser Lieferungen im Kalenderjahr 10.000 € netto übersteigt (oder im Vorjahr schon überschritten wurde), dann wird der Ort der Leistung für diese Fernverkäufe nicht mehr Deutschland (Inland) sein, sondern das jeweilige Bestimmungsland des Kunden.
Das bedeutet: Der Händler muss entweder über das zentrale Verfahren One‑Stop‑Shop Verfahren (OSS) melden oder sich lokal im Bestimmungsland registrieren und dort Umsatzsteuer abführen.

2. Vom Überschreiten zur Pflicht – sofortiger Handlungsbedarf

Wenn die Schwelle von 10.000 € erreicht oder überschritten wird, gilt Folgendes:

  • Der Händler ist ab dem Zeitpunkt der Überschreitung in jedem mehr beliefer­ten EU-Staat steuerpflichtig – zumindest was seine Fernverkäufe dorthin betrifft.
  • Er kann sich entscheiden, am OSS Verfahren teilzunehmen (wenn noch nicht geschehen).
  • Alternativ: Er meldet sich in jedem betroffenen EU-Land umsatzsteuerlich an („lokale Registrierung“) und meldet dort die Umsätze. 

Da lokale Registrierungen immer mit deutlich mehr Aufwand (monetär und administrativ) verbunden sind, empfehle ich hier ausdrücklich die Nutzung des OSS. Es sei denn, ihr seid ein Konzern, der ohnehin bereits in alle EU-Staaten lokal registriert ist. In diesem Fall dürfte der OSS euch keinen Vorteil bringen – im Gegenteil

Für alle anderen stellt sich jetzt die Frage: Bis wann muss ich mich spätestens für den OSS registriert haben?

3. Fristen zur Registrierung für den OSS

Wie immer im Steuerrecht gilt: Es gibt dafür einen Grundsatz und mindestens eine Ausnahme.

  • Grundsatz: Die Registrierung zum OSS wirkt grundsätzlich immer nur zum nächsten Kalenderviertel nach Antragstellung. (siehe § 18j Abs. 1 UStG)
  • Ausnahme: Wenn die Schwellenüberschreitung in einem laufenden Quartal passiert, dann gilt Folgendes. Die OSS-Registrierung beim BZSt muss bis zum 10. Tag des Folgemonats erfolgen, damit diese Umsätze noch über den OSS gemeldet werden können.

4. Lösung bei Fristüberschreitung – lokal registrieren und melden

Was passiert, wenn Sie die 10.000 €-Marke überschreiten und nicht rechtzeitig die OSS-Registrierung beantragen? Dann greift die Pflicht zur lokalen Registrierung im Bestimmungsland bzw. in allen Bestimmungs­staaten. Das heißt konkret:

  • Sie müssen sich in jedem betroffenen EU-Land als umsatzsteuerlich registrieren lassen – mit allen Melde- und Zahlungsverpflichtungen dieses Landes.
  • Danach müssen Sie dort eindeutig die Fernverkäufe in das jeweilige Land mit dem dort geltenden Umsatzsteuersatz versteuern.
  • Da eine lokale Registrierung im Durchschnitt ca. drei Monate Vorlauf benötigt, besteht das Risiko von Nachforderungen, Verzugszinsen, ggf. auch einer späteren Sperrung vom OSS-Verfahren (für die Zukunft).

Kurz: Falls die OSS-Registrierung versäumt wurde, ist die lokale Lösung der einzige saubere Weg. Und das heißt: Sofort handeln, denn jeder Tag Verzögerung kann teuer werden.

5. Pragmatisch und realitätsnah: nachträgliche OSS-Einbeziehung

In der Praxis wählen viele Händler – nach Rücksprache mit ihrem Steuerberater – eine pragmatischere Variante:

Die betroffenen Umsätze werden in die nächste OSS-Meldung aufgenommen, sofern die Beträge überschaubar und sauber dokumentiert sind.

Diese Lösung ist kein offizieller Freifahrtschein, wird aber von vielen EU-Finanzbehörden häufig toleriert, wenn keine erheblichen Steuerbeträge betroffen sind und der Händler unverzüglich reagiert hat.

Wichtig:

  • Alle betroffenen Umsätze müssen korrekt den jeweiligen Ländern und Steuersätzen zugeordnet werden.
  • Es darf keine bewusste Fristverschleppung vorliegen.
  • Diese Lösung eignet sich nur bei geringer Überschreitung und kurzer Übergangszeit.

6. Fazit: Warum übernimmt deine Buchhaltung das Problem nicht für dich?

Seit 2019 haften Amazon und Co. für Händler, die ihren Steuerpflichten nicht nachkommen. Eine verschlafene OSS-Registrierung kann daher im worst case auch zur Marktplatzsperrung führen.

Wenn du als Onlinehändler oder Steuerberater eine Lösung für die Buchhaltung suchst, die nicht nur alle Erlöse und alle Ausgaben abdeckt, sondern auch den 10.000-Euro-Schwellenwert tagesaktuell überwacht, dann melde dich bei uns und wir stellen dir Taxdoo Accounting persönlich vor.

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